"Commemorating the Anti-Nazi Resistance and Victims of the Nazi Regime in Hall in Tirol"
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Das „Haus zum Guten Hirten“ in Hall in Tirol: Ein Ort der Zuflucht im Sturm der Tyrannei (1938-1945)

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"Haus zum Guten Hirten" Opfer und Zerstörung im Zufluchtskloster in Hall in Tirol 1938 - 1945

6/17/2023

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Blog (EN) The house of the good shepherd in Hall in Tyrol
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Foto: Haus zum Guten Hirten in Hall in Tirol. K. Walder Hall in Tirol.
Die Geschichte des Zufluchtsklosters „Haus zum Guten Hirten“ in Hall in Tirol ist eine Erzählung von christlicher Nächstenliehe, Bildung und Barmherzigkeit, die jäh von der dunkelsten Epoche der deutschen und österreichischen Geschichte überschattet wurde. Was einst als sicherer Hafen für die Schwächsten der Gesellschaft gegründet worden war, wurde zwischen 1938 und 1945 zum Schauplatz von systematischer Verfolgung, ideologischer Zerschlagung und persönlichem Leid.

Ein Haus der Hoffnung: Die Gründung und Blüte

Erbaut in den Jahren 1863 bis 1865 als „Zufluchtshaus zum Hl. Vinzenz von Paul“, stand die Einrichtung von Beginn an im Zeichen der Barmherzigkeit. Ihr ursprünglicher Auftrag war es, straffällig gewordenen Mädchen und jungen Frauen nach deren Haftentlassung eine zweite Chance zu bieten. Hier fanden sie nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch eine Ausbildung, seelsorgerische Betreuung und die Perspektive auf eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Das Kloster war ein lebendiges Zeugnis des Glaubens in Tat und Wahrheit.
Im Laufe der Jahrzehnte wuchs diese Mission und passte sich den Bedürfnissen der Zeit an. Aus dem Zufluchtshaus entwickelte sich ein vielseitiges Bildungs- und Sozialeinrichtungszentrum:
  • Ein Kinderheim bot Schutz und Geborgenheit.
  • Ein Mädchenpensionat mit angeschlossener privater Volks- und Hauptschule garantierte eine fundierte, werteorientierte Bildung.
  • Eine Industrie- und Handelsschule (Hauswirtschafts- und kaufmännische Wirtschaftsschule) vermittelte praktische Fertigkeiten für ein selbstbestimmtes Berufsleben.
Getragen wurde diese immense Arbeit von den unermüdlichen Barmherzigen Schwestern von Zams, die ihr Leben in den Dienst der Bildung und Fürsorge stellten. Sie waren die Seele des Hauses.

Der Sturm bricht herein: Die NS-Machtergreifung 1938

Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 begann die systematische Zerstörung dieser christlichen Ordnung. Die Ideologie der Nationalsozialisten, die einen gottlosen Führerkult und die Verachtung kirchlicher Einrichtungen propagierte, ließ das „Haus zum Guten Hirten“ sofort ins Visier der neuen Machthaber geraten.
Bereits im Juli 1938, nur wenige Monate nach der Machtübernahme, wurde den Schulen des Klosters das Öffentlichkeitsrecht entzogen. Dies war kein bürokratischer Akt, sondern ein gezielter Schlag, um die Einrichtung von der Außenwelt zu isolieren und ihre Existenzgrundlage zu entziehen. Ohne dieses Recht waren die Abschlüsse der Schülerinnen wertlos, der Betrieb damit langfristig unmöglich.
Die eigentliche Tragödie jedoch betraf die Menschen, die das Haus ausmachten. Noch im Jahr 1938 wurden elf Lehrschwestern ihrer Lebensaufgabe beraubt:
  • Fünf Lehrschwestern der Barmherzigen Schwestern aus Zams, die in der Privat-Hauptschule unterrichteten.
  • Sechs Lehrschwestern der Kaufmännischen Wirtschaftsschule.
Die Begründung der Nationalsozialisten war zynisch und deutlich: Den Schwestern wurde attestiert, sie seien „nicht in der Lage, die Kinder im Sinne des nationalsozialistischen Geistes zu erziehen“. In Wahrheit waren sie genau dazu nicht bereit. Ihr Erziehungsauftrag gründete auf christlichen Werten, auf Nächstenliebe und Barmherzigkeit – das genaue Gegenteil der NS-Ideologie von Rassenhass, Brutalität und blindem Gehorsam.

Opfer des Terrors: Entrechtung, Zwangsarbeit und Verhaftung

Die entlassenen Schwestern wurden nicht einfach in den Ruhestand geschickt. Sie wurden zu Opfern von staatlicher Willkür und Zwangsmaßnahmen. Um sie für ihre „Umerziehung“ gefügig zu machen und ihre Arbeitskraft auszubeuten, wurden sie gezwungen, in Krankenhäusern, Altersheimen und Lazaretten zu arbeiten. Ihre frei gewählte Berufung im Dienste der Bildung wurde ihnen genommen und durch fremdbestimmte Arbeit ersetzt.
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Ein weiteres Opfer des Regimes war Pater Epiphan Redhammer (1889-1950), Franziskaner und Kaplan im Zufluchtskloster. Als geistlicher Beistand stand er den Schwestern in dieser schwierigen Zeit mutig zur Seite. Sein Einsatz für den Glauben und die Gemeinschaft machte ihn zu einem Feind des Staates. Am 4. November 1940 wurde er verhaftet und anschließend mit einem Gauverweis belegt. Diese Maßnahme, die Verbannung aus seiner Heimat und aus seiner seelsorgerischen Gemeinde, war eine weitere Demütigung und sollte das spirituelle Rückgrat des Klosters brechen.
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Foto: Gymnasialdirektor a. D. Franziskaner Pater Epiphan Redhammer. Archiv der Franziskaner Provinz in Hall in Tirol.

Ein Vermächtnis des Widerstehens

Die Geschichte des „Hauses zum Guten Hirten“ zwischen 1938 und 1945 ist keine der spektakulären Sabotageakte oder des politischen Widerstands. Es ist eine Geschichte des stillen, beharrlichen Widerstands des Gewissens. Der Widerstand bestand darin, die eigenen Überzeugungen nicht aufzugeben. Er bestand im Festhalten an der Würde jedes Menschen, im stillen Gebet und in der Weigerung, sich der unmenschlichen Ideologie der Nationalsozialisten zu beugen.
Die Schwestern und ihr Kaplan bezahlten dafür einen hohen Preis: Sie verloren ihre Arbeit, ihre Freiheit und ihre Heimat. Das Kloster selbst verlor seine Bestimmung und wurde als Institution zerstört.
Heute gilt es, an dieses Kapitel zu erinnern. Es ist ein Mahnmal dafür, wie fragil zivilisatorische und christliche Werte sein können und mit welcher Brutalität sie von totalitären Systemen zerschlagen werden. Das Schicksal der inhaftierten Schwestern und des verbannten Paters Epiphan Redhammer steht stellvertretend für das unzähliger gläubiger Menschen, die unter der NS-Herrschaft litten. Ihr Erbe verpflichtet uns, Wachsamkeit zu üben und jene Werte der Barmherzigkeit, Bildung und Nächstenliebe, für die sie standen, auch heute hochzuhalten und zu verteidigen.
Schwester Erharda Hendlmeier (1874-1954)
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Foto: Schwester Erharda Hendlmeier. Mutterhaus-Archiv der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul in Zams/Tirol.
Schwester Erharda Hendlmeier, die mutige Direktorin der Klosterschulen, wurde von der Gestapo verhaftet und für 14 Tage im Gefängnis "Hotel Sonne" in Innsbruck inhaftiert, ein stummes Zeugnis des NS-Terrors gegen unbeugsame Gläubige. (siehe Blog 93)
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Foto: Links, Schwester Ezechiela (Elisabeth) Endrass. Mutterhaus-Archiv der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul in Zams/Tirol.
Schwester Ezechiela (Elisabeth) Endrass (1877 - 1974)
Schwester Ezechiela Endrass, die Oberin des Klosters, wurde von den Nationalsozialisten unter einem fadenscheinigen Vorwand zu sechs Monaten Haft verurteilt und verbrachte über fünf Monate im Gefängnis, nur weil sie ihrem Glauben und Auftrag treu blieb. (siehe Blog 94)

Zerstörung, Wiederaufbau und Persönliche Schicksale

Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs trafen Hall mit voller Wucht. Die verheerenden Bombenangriffe, insbesondere jener vom 16. Februar 1945, kosteten 71 Menschen das Leben und verwüstete weite Teile der Stadt, vor allem den Bereich um den Bahnhof. Auch das „Haus zum Guten Hirten“ wurde schwer getroffen. Bei dem Angriff verloren 24 Bewohnerinnen ihr Leben: 22 Ordensschwestern und 2 Pfleglinge.
Nach dem Krieg wurde das Kloster mühsam wiederaufgebaut und in seiner Bestimmung neu ausgerichtet. Statt einer Bildungsstätte wurde das „Haus zum Guten Hirten“ nun ein Wohn- und Pflegeheim für ältere Menschen, eine Aufgabe, die der caritativen Tradition des Hauses bis heute entspricht.
Die NS-Zeit forderte auch persönliche Opfer unter den Schwestern, die mutig ihren Dienst versahen. Zwei Schicksale stehen exemplarisch für den Widerstand und das Leid:
  • Schwester Erharda Hendlmeier, die Direktorin der Haupt- und Handelsschule, wurde von der Gestapo für etwa 14 Tage im Gefängnis im Hotel Sonne in Innsbruck festgehalten.
  • Schwester Ezechiela Endrass, die Oberin des Klosters, wurde im Juli 1941 verhaftet und vom NS-Sondergericht Innsbruck zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe unter dem Vorwand von „Verstößen gegen die Verbrauchsregelungsstrafverordnung“ verurteilt. Sie verbrachte über fünf Monate in Haft.
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Foto: Bombenzerstörung des Zufluchtsklosters (16. Februar 1945) in Hall in Tirol. ​Mutterhaus-Archiv der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul in Zams/Tirol.
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Abbildung: Sterbebilder für 22 Ordensschwestern. Mutterhaus-Archiv der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul in Zams/Tirol.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs musste das Zufluchtskloster neu aufgebaut werden. Nach Abschluss des Wiederaufbaus wurde das "Haus zum Guten Hirten" als Wohn- und Pflegeheim für ältere Menschen eröffnet.
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Foto: Haus zum Guten Hirten. Privatarchiv Walder.
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    Autorin
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    Elisabeth Walder
    BA MA MA

    Historikerin-Ethnologin

    Archive
    Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

    Tscholl, Helmut: Die katholische Kirche. Laien und kollektiver Widerstand. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hrsg.): Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934-1945. Eine Dokumentation (2). Wien/München 1984, S.251-284.


    Reiter, Johann: Maßnahmen gegen Klöster und Orden. Barmherzige Schwestern des Hl. Vinzenz von Paul. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hrsg.): Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934 – 1945, Eine Dokumentation (2). Wien/München 1984, S. 311-312.

    Tschol, Helmut, Die Katholische Kirche. Allgemeine Verfolgungsmaßnahmen. In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Widerstand in Tirol 1934-1945. Eine Dokumentation (2). Wien/München 1984, S. 10-31.


    Pfarrarchiv Hall in Tirol
    Pfarrchronik 1893-1945: in Pfarrarchiv Hall in Tirol.

    Archiv der Franziskaner Provinz Hall in Tirol
    ​
    Chronik der Franziskaner Provinz Hall in Tirol.
    ​
    Mutterhaus-Archiv der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul in Zams/Tirol.

    June 2023

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