Foto Dr. Franz Josef Messner. Privatarchiv Volker Sartorti, Elmshorn, Deutschland. Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Online unter, {https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dr._Franz_Josef_Messner.jpg}, (Stand 10.8.2024). Franz Josef Messner: Vom Kaiserjäger zum internationalen HandelsfachmannFranz Josef Messner wurde als Sohn eines Gemischtwarenhändlers in Brixlegg geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er das Franziskaner-Gymnasium in Hall in Tirol, das er mit der Matura abschloss. Im Jahr 1915, im Alter von 18 Jahren, meldete er sich freiwillig zum 1. Tiroler Kaiserjägerregiment in Innsbruck. Während des Ersten Weltkriegs war er zunächst 1916 beim Gouverneur in Bukarest eingesetzt. 1917 wurde er als kommerzieller Referent zum Militärgouverneur nach Odessa abkommandiert. Nach dem Ende des Krieges floh Messner im November 1918 nach Brest-Litowsk, wurde jedoch von polnischen Legionären gefangengenommen und blieb bis Januar 1919 in deren Gewahrsam. Nach seiner Befreiung durch die österreichische Armee kehrte er nach Brixlegg zurück. Trotz seiner Militärverpflichtungen studierte er vier Semester an der Exportakademie bzw. der Hochschule für Welthandel. Im Sommer 1919 wurde er von einer Handelsfirma nach Belgrad in Serbien entsandt. Noch im selben Jahr übernahm er auf Vorschlag der Tiroler Landesregierung eine Direktionsstelle in Innsbruck. Nach der Auflösung dieses Amtes arbeitete er drei Jahre für die Handelsgesellschaft „Habung“ in Wien. Anschließend nahm er eine Tätigkeit in Dakar, der Hauptstadt des heutigen Senegal, auf – einem bedeutenden Handelszentrum, das bis heute internationale wirtschaftliche Relevanz besitzt. Karriere in Brasilien und Rückkehr als Industriekonsulent Im Jahr 1925 emigrierte Franz Josef Messner gemeinsam mit seiner Ehefrau Franziska (1889–1983) nach São Paulo in Brasilien. Dort arbeitete er als Europaexperte im Kaffeeexport. Bereits ein Jahr später, 1926, gründete er in Wien die Kolonialfirma „Messner“. 1928 wurde Messner zum brasilianischen Konsul in Wien ernannt und fungierte zugleich als Handelsattaché im Dienst des brasilianischen Handelsministeriums. 1929 erwarb er eine eigene Kaffee- und Baumwollplantage in São Paulo sowie eine Orangerie in Rio de Janeiro. Im Jahr 1930 überlebte er einen Flugzeugabsturz vor der brasilianischen Küste. Trotz dieses dramatischen Ereignisses setzte er seine Karriere fort und erhielt am 13. Oktober 1931 die brasilianische Staatsbürgerschaft. In der Folge arbeitete er als Generalagent des brasilianischen Kaffee-Instituts in São Paulo mit Zuständigkeit für Österreich, Ungarn und die Tschechoslowakei. Ab 1934 war Messner maßgeblich an der wirtschaftlichen Sanierung zahlreicher österreichischer Betriebe beteiligt – als Berater und Industriekonsulent. Zwei Jahre später, 1936, trat er eine Anstellung bei der Austria Credit-Anstalt an. In deren Auftrag übernahm er die Sanierung der Semperit-Werke in Wien. 1937 wurde er zum Generaldirektor und Vorstandsvorsitzenden der „Semperit – Österreichisch-Amerikanischen Gummiwerke-Aktiengesellschaft“ in Wien ernannt. Seine Hauptaufgabe bestand in der umfassenden Modernisierung des Werks und der Anpassung an den technologischen Standard der deutschen Industrie. Trotz massiven politischen und wirtschaftlichen Drucks gelang es Messner im Jahr 1939, die Semperit-Werke mit Unterstützung der Creditanstalt-Bankverein und der Unternehmensgruppe Reithoffer vor einer Übernahme durch die deutsche Continental Gummiwerke AG zu bewahren. Foto Semperit Werk Wimpassing. Archiv der Metrum Communications GmbH A-1010 Wien, Bauernmarkt 10/19. Flucht, Geheimauftrag und Rückkehr unter LebensgefahrAm 3. Juni 1939 verließ Franz Josef Messner Europa an Bord eines Zeppelins mit Ziel Brasilien. Offiziell gab er gesundheitliche Gründe für seine Abreise an. Tatsächlich floh er jedoch, um einer Denunziation durch einen Verwandten zu entgehen. Trotz seiner Flucht stand er weiterhin im Dienst des NS-Regimes: Im Auftrag des Reichswirtschaftsministeriums sollte er in Südamerika Naturkautschuk beschaffen – ein kriegswichtiges Gut. Messner gelang es, eine komplette Schiffsladung von 3.000 Tonnen Kautschuk zu kaufen. Die Ware wurde jedoch auf hoher See versenkt – unter bis heute ungeklärten Umständen. Bereits sechs Monate später trat Messner die Rückreise nach Europa an, um seine Arbeit bei den Semperit-Werken wieder aufzunehmen. Er reiste mit einem italienischen Dampfschiff, das in Casablanca von den französischen Behörden unter dem Vorwurf der Spionage festgesetzt wurde. Messner verbrachte 30 Tage in Internierungshaft. Erst nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich wurde er freigelassen und konnte seine Reise fortsetzen. Foto: Generaldirektor Dr. Messner im Gespräch mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Firma Semperit. In: Archiv der Metrum Communications GmbH . A-1010 Wien, Bauernmarkt 10/19. Sozialreformer im Schatten des Krieges: Messners Wirken bei Semperit ab 1940 Am 15. August 1940 nahm Franz Josef Messner seine Tätigkeit als Vorstand der Semperit-Werke wieder auf. Unter seiner Leitung wurden zahlreiche Verbesserungen in den drei Hauptwerken in Traiskirchen, Wimpassing und Stadlau umgesetzt. Messner war häufig auf Geschäftsreisen unterwegs – unter anderem nach Zürich, Basel, Paris, Brüssel, Mailand sowie nach Pressburg, Budapest, Bukarest und Istanbul. Trotz der kriegsbedingten Umstände setzte er sich bis 1943 für tiefgreifende soziale Reformen innerhalb der Betriebe ein. Er ließ die veralteten sanitären Anlagen modernisieren, gründete eine Werksküche für alle Mitarbeitenden und öffnete den vormals exklusiven „Werksdirektorpark“ für die Belegschaft. Darüber hinaus etablierte er einen arbeitsmedizinischen Dienst mit einem Werksarzt und einer eigenen Krankenstation. Auch ein Erholungsheim für Beschäftigte wurde errichtet. Zu den weiteren sozialen Maßnahmen zählten die Einführung einer Betriebskrankenkasse, ein Mindestlohnsystem sowie eine Kinderbeihilfe für alle Mitarbeiter. Regelmäßige Kulturveranstaltungen ergänzten das Angebot – selbst in Kriegszeiten. In den Semperit-Werken arbeiteten zu dieser Zeit jedoch nicht nur reguläre Arbeitskräfte: Neben sogenannten „freiwilligen belgischen Gastarbeitern“ waren auch polnische Zwangsarbeiterinnen, Kriegsgefangene aus Belgien, Italien und Frankreich sowie Häftlinge im Einsatz. 1943 ließ Generaldirektor Dr. Messner ein Barackenlager für sowjetische Kriegsgefangene und Familien aus dem Raum Stalingrad errichten – ein düsteres Kapitel, das die Ambivalenz seiner Rolle in dieser Zeit deutlich macht. Zwischen sozialer Reform und systemischer Gewalt: Eine ambivalente Rolle Franz Josef Messners Wirken bei Semperit steht exemplarisch für die Ambivalenz wirtschaftlicher Führungspersonen in der Zeit des Nationalsozialismus. Einerseits bemühte er sich um soziale Verbesserungen für die österreichische Stammbelegschaft und setzte Reformen um, die für damalige Verhältnisse fortschrittlich waren. Andererseits war auch er eingebunden in das Zwangsarbeitssystem des NS-Regimes – ein System, das auf rassistischer Ideologie, Entrechtung und Gewalt beruhte. Die Beschäftigung von Zwangsarbeiterinnen, Häftlingen und Kriegsgefangenen in den Semperit-Werken geschah nicht nur im Rahmen einer allgemeinen Kriegswirtschaft, sondern entsprach der gezielten Ausbeutung ganzer Bevölkerungsgruppen. Der Bau eines Barackenlagers für sowjetische Kriegsgefangene und ihre Familien 1943 stellt ein besonders gravierendes Beispiel für die Verstrickung in nationalsozialistische Macht- und Gewaltstrukturen dar. Messners Rolle zeigt, wie wirtschaftliche Effizienz, sozialreformerisches Denken und staatlich legitimierte Gewalt in der NS-Zeit miteinander verwoben waren – und stellt heutige Fragen an Verantwortung, moralisches Handeln und individuelle Handlungsspielräume im autoritären Kontext. Franz Josef Messner im Widerstand: Zusammenarbeit mit Kaplan Heinrich Maier Bereits 1936 lernte Franz Josef Messner den Wiener Kaplan Heinrich Maier (1908–1945) kennen – einen engagierten Pädagogen, Priester und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Kaplan Maier stand ab 1940 in Kontakt mit der Widerstandsgruppe rund um den christlich-sozialen Politiker Jakob Kaiser (1888- 1961) in Berlin. Gemeinsam mit dem Tiroler Walter Caldonazzi (1916–1945) gründeten Maier und Messner die Widerstandsgruppe Maier–Caldonazzi–Messner. Ihr Ziel war nichts Geringeres als das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich. Sie erkannten früh, dass dies nur durch eine militärische Schwächung des Dritten Reiches erreicht werden konnte – und sammelten deshalb gezielt Informationen über Rüstungsbetriebe und industrielle Standorte. Messner nutzte seine Position als Generaldirektor der Semperit-Werke, um erste Hinweise über die Vernichtung von Jüdinnen und Juden in der Nähe des Werks im Raum Auschwitz an die Alliierten weiterzugeben. Diese Informationen stießen bei den US-Amerikanern jedoch zunächst auf Unglauben. Walter Caldonazzi lieferte hingegen präzise Daten über die Heinkel-Werke in Jenbach, in denen Antriebsteile für die Messerschmitt Me 163 und die V2-Raketen gefertigt wurden. Kaplan Maier wiederum erhielt durch heimgekehrte Soldaten Kenntnisse über die geheime Raketenfabrik in Peenemünde. Diese Informationen wurden über Mittelsleute an die alliierten Geheimdienste weitergegeben – insbesondere an den OSS (Office of Strategic Services), den Vorläufer der CIA. So konnten gezielte Luftangriffe auf strategisch wichtige Rüstungsbetriebe erfolgen, was den Nachschub der deutschen Wehrmacht erheblich schwächte. Neben der militärischen Aufklärung versuchte die Gruppe auch, politisch Gleichgesinnte zu gewinnen und auf einen Zusammenbruch des NS-Regimes vorzubereiten. Durch Kaplan Maier lernte Messner die Konzertpianistin Barbara Issakides kennen, die 1942 in Zürich erste Kontakte zum US-Geheimdienstmann Allan Welsh Dulles aufnahm. 1943 reiste Messner selbst mit Issakides in die Schweiz und übergab dem OSS in Zürich Informationen über die Produktion von synthetischem Gummi (Projekt „Buna“) sowie über deutsche Raketenentwicklungen. Barbara Issakides, geboren am 31. Mai 1914 in Wien, war eine österreichische Pianistin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Sie studierte von 1930 bis 1942 Klavier an der Wiener Musikakademie und unternahm Konzertreisen in europäische Länder wie Polen, Ungarn und England. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie eng mit dem Wiener Kaplan Heinrich Maier und dem Semperit-Direktor Franz Josef Messner zusammen, um Informationen über die Rüstungsindustrie an die Alliierten weiterzugeben. Nach dem Krieg setzte sie ihre Musikkarriere fort und trat unter anderem im Wiener Konzerthaus und im Musikverein auf. Barbara Issakides verstarb am 29. August 2011 in Wien. In Bern arbeitete Messner unter den Codenamen „Diana“ oder „Oyster“. Er berichtete über Treibstofflager, Waffenfabriken und Flugzeugwerke im Raum Wien und informierte zudem über Massenhinrichtungen, von denen er erfahren hatte. Anfang 1944 traf er sich mehrfach mit Dulles, um die nächste Phase des Widerstands zu besprechen. Die Alliierten sagten Messner finanzielle Unterstützung in Höhe von 100.000 Reichsmark zu – zur Weitergabe an den Widerstand in Österreich. Doch der Plan wurde verraten: Ein Doppelagent im Dienst des OSS spielte die Informationen an die deutsche Abwehr weiter. Bei der versuchten Geldübergabe in Budapest wurde Messner von der Gestapo verhaftet und nach Wien gebracht. Im Wiener Landesgericht versuchte eine enge Vertraute Messners, Evelyn Wagner, ihn zu befreien. Wagner, Sekretärin bei Semperit und Mitglied des Widerstands, konnte im November 1944 zwei junge Deserteure der Wehrmacht zur Mithilfe bewegen. Der Versuch scheiterte – die beiden Männer wurden bei einer Kontrolle verhaftet, kurz darauf auch Evelyn Wagner. Sie überlebte nur, weil sie im April 1945 bei der Befreiung Wiens durch die Rote Armee befreit wurde. Franz Josef Messner hingegen wurde im November 1944 gemeinsam mit den späteren österreichischen Ministern Felix Hurdes und Lois Weinberger in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Dort wurde er zunächst im Bunker festgehalten, ehe man ihn im Januar 1945 erneut nach Wien überstellte. Foto KZ-Mauthausen 1941/42 Eingang und Steinbruch Mauthausen. Die freie Enzyklopädie Wikipedia. Online unter, Von Bundesarchiv, Bild 192-342 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5485775}, (Stand 9.8.2024) und Bild Steinbruch. { Von Bundesarchiv, Bild 192-317 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5485745}, (Stand 9.8.2024) Das Schicksal von Dr. Messner im April 1945 Im April 1945 wurde Dr. Messner erneut in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht und dort im sogenannten „Bunker“ – dem Strafblock – eingesperrt. Seine Aufnahme als Häftling wurde nicht offiziell registriert, da er als brasilianischer Staatsbürger galt. Als Angehöriger eines neutralen Staates hatte Dr. Messner das Recht, ein Lebensmittelpaket zu erhalten. Am 18. April 1945 beantragte er ein solches Paket – ohne dabei seinen Namen oder seine frühere Funktion als Direktor der Firma Semperit zu nennen. Am 19. April wurde ihm das Paket ausgehändigt, das er mit seinem Mithäftling Burde teilen wollte. Doch bereits am nächsten Tag, dem 20. April 1945, fehlte Dr. Messner. An seinem Platz in Block 10 fand man nur noch die Hälfte des Pakets. Offenbar war er erneut in den Bunker gebracht worden – mutmaßlich, weil ein anderer Häftling das begehrte Paket für sich beanspruchte. Drei Tage später, am 23. April 1945, wurde Dr. Messner in der Gaskammer ermordet. Die genauen Umstände seiner Verhaftung bleiben unklar. Doch vieles deutet darauf hin, dass das Paket eine tragische Rolle in seinem Schicksal spielte. Der Bunker befand sich in unmittelbarer Nähe des Krankenreviers, wo sich im Keller die Gaskammer befand. Am 23. April 1945, um 15 Uhr, ordnete der Kommandant des KZ-Mauthausen, SS-Standartenführer Franz Ziereis, die sofortige Überführung von 40 Häftlingen, darunter Franz Josef Messner, in die Gaskammer im Keller an. SS-Kommandant Ziereis persönlich füllte das Gaseinfüllgerät mit Zyklon B. In der folgenden Nacht wurden Messner und die anderen 39 Opfer im Krematorium verbrannt. Es ist anzumerken, dass die brasilianische Regierung bereits im Januar 1945 einen Antrag auf den Austausch von Gefangenen gestellt hatte. Obwohl die offiziellen deutschen Stellen wie das Reichssicherheitshauptamt, das Reichswirtschaftsministerium und der Reichsbeauftragte für Kautschuk keine Bedenken hatten, verweigerte die Justiz den Austausch selbst, nachdem die brasilianische Regierung die Staatsbürgerschaft von Franz Josef Messner bestätigt hatte. Dies geschah trotz des Wissens um seine brasilianische Staatsangehörigkeit, und der Gefangene wurde letztendlich in der Gaskammer von Mauthausen ermordet. Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document. Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hrsg.): Widerstand in Tirol 1934 - 1945. Eine Dokumentation (1+2). Wien/München 1984.
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