"Commemorating the Anti-Nazi Resistance and Victims of the Nazi Regime in Hall in Tirol"
  • Home
    • Home EN
  • Über uns
    • About Us - EN
  • GEDENKPORTRÄTS
    • (EN) memorial portraits
    • (F) portraits commémoratifs
  • BLOG
    • Akteur:innen des Widerstands >
      • Actors of the Hall Resistance
    • Widerstands-Guppen >
      • Resistance groups in Hall in Tyrol
    • Jugend-Organisationen und Vereine >
      • Youth organizations and Catholic organizations
    • Verfolgte und Opfer >
      • The Persecuted and the Victims
    • Institutionen im Widerstand >
      • Institutional Resistance
      • Priester im Widerstand
      • Clerical Opposition
      • Ordens-Gemeinschaften im Widerstand
      • Religious Orders in Resistance
    • Erinnerungs-Kultur >
      • "Commemorative Culture"
    • Stadt Hall im historischen Kontext >
      • The City of Hall in its Historical Context
    • Arisierte Architektur – Restitution und Erinnerung >
      • Aryanized Architecture: Restitution and Memory (1938–1945)
  • Impressum/Imprint
    • Sponsoren/Sponsors
  • Home
    • Home EN
  • Über uns
    • About Us - EN
  • GEDENKPORTRÄTS
    • (EN) memorial portraits
    • (F) portraits commémoratifs
  • BLOG
    • Akteur:innen des Widerstands >
      • Actors of the Hall Resistance
    • Widerstands-Guppen >
      • Resistance groups in Hall in Tyrol
    • Jugend-Organisationen und Vereine >
      • Youth organizations and Catholic organizations
    • Verfolgte und Opfer >
      • The Persecuted and the Victims
    • Institutionen im Widerstand >
      • Institutional Resistance
      • Priester im Widerstand
      • Clerical Opposition
      • Ordens-Gemeinschaften im Widerstand
      • Religious Orders in Resistance
    • Erinnerungs-Kultur >
      • "Commemorative Culture"
    • Stadt Hall im historischen Kontext >
      • The City of Hall in its Historical Context
    • Arisierte Architektur – Restitution und Erinnerung >
      • Aryanized Architecture: Restitution and Memory (1938–1945)
  • Impressum/Imprint
    • Sponsoren/Sponsors





Dr. Ernst Verdross
Leben und Widerstand 
in Hall in Tirol







Hofrat Dr. Ernst Verdross Edler von Drossberg (1892 – 1963)

10/7/2023

0 Comments

 
Blog (EN) 42 Dr. Ernst Verdross resistance in Hall
Picture
Picture
Wappen Verdross zu Drossberg. Die freie Enzyklopädie Wikipedia. Online unter, {Von HruskaHeraldik (Gerd Hruška) - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62333803}, (Stand: 9.10.2023).
Verdross von Drossberg, Ignaz Edler (1851-1931) General
View my profile on LinkedIn

General Ignaz Verdross Edler zu Drossberg (1851 – 1931)

Picture
Foto General Ignaz Verdross zu Drossberg. Wikipedia. Die freie Enzyklopädie.  Online unter, {Von K.u.k. Kriegspressequartier, Lichtbildstelle - Wien - https://www.bildarchivaustria.at/Preview/15409991.jpgCatalog: https://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=15409991, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=71828301}, (Stand 8.10.2023)
Die Familie Verdross stammte aus einer angesehenen Vinschgauer Bauernlinie. Dr. Ernst Verdross' Vater war General Ignaz Verdross Edler zu Drossberg (1851–1931). General Ignaz Verdross hatte eine beeindruckende militärische Laufbahn durchlaufen und zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Orden der Eisernen Krone und den Leopold-Orden. Seine Karriere erreichte 1911 ihren Höhepunkt, als er zum Generalmajor befördert wurde und die Leitung der 14. Gebirgsbrigade übernahm. Im gleichen Jahr wurde ihm der Adelstitel „Edler von Drossberg“ verliehen. Nach seinem Ruhestand im Jahr 1913 wurde er zu Beginn des Ersten Weltkrieges erneut aktiviert und führte Truppen in Nordtirol an. Später leitete er erfolgreich Verteidigungsoperationen in Südtirol, insbesondere am Monte Pasubio, und blieb bis Kriegsende im Dienst.
​Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges lebte die Familie Verdross von 1919 bis 1931 in Innsbruck, in der Speckbacherstraße 29. General Verdross hatte drei Söhne, Alfred, und die Zwillinge Paul und Ernst. Paul Verdross (1892- 1914) schlug ebenfalls die militärische Laufbahn ein und verstarb zu Beginn des Ersten Weltkrieges am Schlachtfeld. 
In Hall in Tirol wurde General Ignaz Verdross zu Ehren eine Straße nach ihm benannt. In seiner Heimatgemeinde Mals errichtete man  ihm zu Ehren eine Gedenktafel. 
​
Am 21. Jänner 1921 verlieh ihm Kaiser Karl I. (1887–1922) das Recht zum Gebrauch des österreichischen Freiherrenstandes.
Picture
Foto Straßenbezeichnung in Hall in Tirol. Privatarchiv K. Walder Hall in Tirol.
Picture
Foto Aufnahme in den 1950er Jahren: Dr. Alfred Verdross, Mutter Edda Verdross (1867 - 1955) und Dr. Ernst Verdross. Privatarchiv Dr. Edith Kaufmann Innsbruck.

Dr. Alfred Verdross Edler von Drossberg (1890–1980)

Picture
Foto Dr. Alfred Verdross zu Drossberg. Privatarchiv Dr. Edith Kaufmann Innsbruck.
Dr. Alfred Verdross
Der erste Sohn, Dr. Alfred Verdross Edler von Drossberg (1890–1980), erlangte internationale Anerkennung als Völkerrechtler und bekleidete die Position eines Universitätsprofessors in Wien. Neben Dr. Hans Kelsen, unter dessen Anleitung Verdross als Student und Universitätsassistent tätig war, zählte Alfred Verdross zu den herausragenden Rechtsgelehrten von Weltrang an der Wiener Rechtsschule. Während sich Kelsen auf das Verfassungsrecht spezialisierte, widmete sich Verdross den Gebieten des Völkerrechts und der Rechtsphilosophie.

​
Am 11. März 1938 arbeiteten Dr. Alfred Verdross und Otto Molden (1918–2002) gemeinsam daran, einen Widerstand gegen den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Österreich zu organisieren. Sie versuchten, eine Mobilmachung zu erwirken, doch Bundespräsident Wilhelm Miklas (1872–1956) lehnte diese ab.
Im Juni 1938 wurde Dr. Alfred Verdross nach einer Hausdursuchung durch die Gestapo von allen akademischen Ämtern ohne Bezüge suspendiert. Erst im Juli 1939 wurde das Gerichtsverfahren gegen Dr. Alfred Verdross eingestellt. Seine Lehrbefugnis  für Rechtsphilosophie entzog die NS-Macht ihm bis zum Ende der NS-Herrschaft in Österreich im Mai 1945. Nach der Befreiung Österreichs wurde Dr. Alfred Verdross wieder in alle seine akademischen Ämter eingesetzt. Er konnte die Lehrtätigkeit wieder aufnehmen und war von 1946/47 und 1951/52 Rektor der Universität in Wien. Im Jahr 1946 veröffentlichte er das Buch "Grundlagen der antiken Rechts-und Staatsphilosophie".
Picture
Quelle: Alfred Verdross 1890-1980. Medienspiegel, Biografie/Wissenschaftsarchive, Nachrufe, unpubliziert, 27. April 1980, S. 19, in: Privatarchiv Dr. Edith Kaufmann Innsbruck.
Die Tageszeitung "Die Presse" veröffentlichte am 21. Dezember 2019 einen Artikel "Im Keller die Kerzen" von Johannes Kunz verfasst. (Spektrum IV)
Der Beitrag thematisierte Weihnachten 1944: Im letzten Kriegswinter prägten Hunger, Kälte und Angst das Leben der Wiener Bevölkerung. Galgenhumor überlagerte die Besinnlichkeit:

"Leere Töpfe, leere Teller,
immer in den Luftschutzkeller -
Führer heil, wir danken dir."


Eine weitere Empfehlung hieß: " Denk praktisch, schenk einen Sarg"

Und so sah man dieses Fest:
"Es regnet Christbäume vom Himmel,
Die Flak liefert Kugeln,
Goebbels erzählt Märchen,
das deutsche Volk zündet Kerzen im Keller an und erwartet die Bescherung von oben."
Picture

Dr. Ernst Verdross Edler von Drossberg (1892 – 1963)

Jurist, Magistratsbeamter in Hall in Tirol, ehemaliger KZ-Häftling
Verdross war als Jurist im Magistrat Hall tätig und wurde aufgrund seiner Haltung gegenüber dem NS-Regime verfolgt und im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Nach seiner Rückkehr engagierte er sich nicht nur im monarchistischen Widerstand, sondern auch im Widerstand von Anton Haller in Hall in Tirol und gemeinsam mit Dr. Anton Klotz im Widerstandskreis um Dipl.-Ing. Hradetzky. Gemeinsam mit weiteren früheren politischen Weggefährten arbeitete er an der geistigen Vorbereitung für den politischen Umbruch in Tirol. Verdross' juristische Erfahrung floss in die Überlegungen über eine zukünftige demokratische Verwaltung mit ein.
Picture
Foto Dr. Ernst Verdross. In Fotoarchiv Foto Stockhammer Hall in Tirol.

"Dr. Ernst Verdross Edler von Drossberg – Ein Leben für Recht und Gerechtigkeit"

Dr. Ernst Verdross Edler von Drossberg wurde am 3. Februar 1892 in Innsbruck als zweiter Sohn des Generals Ignaz Verdross Edler von Drossberg geboren.
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Rovereto begann er 1912 sein Jurastudium in Wien. Sein Leben prägte der Leitspruch „Justitia Regnorum Fundamentum“ – „Gerechtigkeit ist die Grundlage der Staaten“. Dieses Motto, das das äußere Burgtor der Wiener Hofburg zierte, begleitete ihn in einer prägenden Begegnung: Dort sah er einst eine prunkvolle Kutsche mit goldenen Speichen, gezogen von majestätischen Schimmeln, durch das Tor rollen. In ihr thronte der greise Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916), eine letzte Erscheinung der alten Monarchie.
Von 1914 bis 1918 diente Ernst Verdross im Ersten Weltkrieg. Der Untergang der Donaumonarchie traf ihn tief – er trauerte um das Österreich, für das er vier Jahre gekämpft hatte. Doch trotz der Wirren der Nachkriegszeit, trotz Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und politischer Zerrissenheit, bewahrte er seinen Glauben an die Zukunft. Er vertraute auf die Erste Republik Österreich und ihre Kraft, sich aus den Trümmern zu erheben.

"Familie und Wirken: Dr. Ernst Verdross zwischen Beruf, Politik und akademischem Engagement"

Am 15. August 1919 heiratete Dr. Ernst Verdross in Wien Bertholda Stolz (1897–1962). Knapp ein Jahr später, am 7. Juni 1920, trat er seine Stelle als Stadt- und Magistratssekretär in Hall in Tirol an. Das Ehepaar Verdross wurde Eltern von drei Kindern: Hedwig, Heinrich und Bertholde.
1922 übernahm Dr. Verdross widerwillig das Amt des Stadthauptmanns der Heimwehr Hall. Diese Position gab er 1927 wieder auf, da er sich mit den politischen Zielen der Heimwehr nicht verbunden fühlte. Sein Rücktritt spiegelt seine prinzipientreue Haltung wider – für ihn standen Recht und Unparteilichkeit über parteipolitischen Interessen.
Ein weiterer prägender Abschnitt seines Lebens war seine Verbindung zur akademischen Welt. 1926 wurde er im Sommersemester bei der Wiener Katholischen Studentenverbindung Unitas-Norica in Innsbruck aufgenommen. Die politischen Umbrüche der Zeit hinterließen auch hier ihre Spuren: Am 15. März 1934 löste sich der österreichische Zweig des Unitasverbandes (UV) vom gesamtdeutschen Verband und gründete einen eigenständigen österreichischen Verband, der bis heute besteht. (Quelle: *Unitas Heft 8/1963, S. 31 f.; U-H IV, 468.*)
Picture
Picture
Picture
Foto Angelobung. Privatarchiv K. Walder Hall in Tirol.

"Österreich in der Krise: Nationalsozialistische Umtriebe und das Versagen der inneren Einheit (1933-1934)"

Das Jahr 1933 markierte eine tiefe Zäsur in Österreichs Geschichte. Das Verbot der Sozialdemokraten und Kommunisten spaltete das Land und schwächte jene Kräfte, die dem aufkeimenden Nationalsozialismus hätten entgegentreten können. Diese innere Zerrissenheit erwies sich als fatal – besonders nach der Ermordung von Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuss (1892–1934) im Juli 1934. Eine geschlossene Abwehrfront gegen die NS-Bedrohung blieb aus, gerade als sie am dringendsten benötigt worden wäre.
Bereits Jahre vor dem „Anschluss“ 1938 agierte die illegale NSDAP in Österreich unverhohlen. Die Radikalisierung zeigte sich auch in Hall: 1933 wurde die Wasserzuleitung des Halltalwerkes gesprengt, was einen Sachschaden von 50.000 Schilling verursachte. Terrorakte wie diese wurden von einer systematischen Einschüchterungskampagne begleitet:
  • Explosive Papierböller verbreiteten Angst in der Bevölkerung.
  • Hakenkreuz-Schmierereien und Durchhalteparolen wie „Wir werden siegen!“ prägten das Stadtbild.
  • Provokationen wie ausgestanzte Hakenkreuz-Symbole, heimlich gehisste Fahnen und nächtliche Höhenfeuer in NS-Form demonstrierten die Präsenz der Bewegung.
Doch die Mehrheit der Haller Bevölkerung reagierte mit Ablehnung. Die politische Stimmung schien klar aufseiten der Vaterländischen Front – umso verstörender wirkte die oft zögerliche Reaktion der Behörden. Dieses Versagen staatlicher Stellen sollte sich als Vorbote kommender Katastrophen erweisen.

"12. März 1938: Die Nacht der Verhaftungen – Dr. Ernst Verdross und der Widerstand gegen den NS-Terror"

​Die Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 markierte einen brutalen Einschnitt in Österreichs/Halls Geschichte. In einer gezielten Aktion verhaftete die Gestapo die Führungsspitze der Opposition der Stadt – darunter Dr. Viktor Schumacher und zahlreiche andere Regimegegner. Unter den Festgenommenen befand sich auch Dr. Ernst Verdross, der gemeinsam mit Graf Bernhard Stolberg zu Stolberg, DDr. Arthur Reisinger, Direktor Josef Egg, Dr. Manfred Mumelter, Dr. Matthias Pahle, Dipl.-Ing. Herbert Pichler, Ing. Richard Matt, Polizeiinspektor Friedrich Corazza und Polizei-Oberwachtmeister Albin Rieger zunächst im Stadtgefängnis von Hall inhaftiert wurde.
Das Gefängnis in der Burg Hasegg
Nur wenige wissen, dass sich das Haller Stadtgefängnis in der historischen Burg Hasegg befand. Wie auf dem beigefügten Foto zu erkennen, gab es im Erdgeschoss fünf Arrestzellen, darüber lag die Wohnung des Verwalters. Hier begann für die Verhafteten ein Albtraum.
Picture
Picture
Fotos: Ehemaliges Stadtgefängnis in der Burg Hasegg (2025). Foto K. Walder Hall in Tirol.

Ernst Verdross’ Bericht: Eine Nacht der Erniedrigung

In seinem KZ-Dachau-Protokoll schildert Verdross die Demütigungen jener Nacht mit erschütternder Präzision:
„Der Postenkommandant war sehr verlegen und meinte: ›Ich kann nichts dafür.‹ Er öffnete die Tür des Polizeiarrestes, in dem sonst nur Landstreicher und Betrunkene untergebracht wurden. Ich trat hinein. Die Tür schloss sich hinter mir. Zum ersten Mal in meinem Leben gefangen, unfrei und dazu in den Händen von Todfeinden.“
In der Zelle traf er auf den schwer misshandelten Polizeiinspektor Friedrich Corazza:
„Auf dem linken [Bett] lag arg zugerichtet mit zerrissener Uniform und blau geschwollenem Gesicht Polizeiinspektor Corazza. Er erzählte mir, dass er von einer Rotte SA-Männer überfallen und verprügelt worden sei, die Rangabzeichen habe man ihm heruntergerissen. Trotzdem war er guten Mutes.“
Nach zwei Stunden des Wartens klirrten Schlüssel, die Tür ging auf – zwei unbekannte Polizisten befahlen ihnen, mitzukommen. Es war der Beginn einer langen Leidenszeit.
„Diese Nacht war nur der Anfang seiner Haft – später wurde er ins KZ Dachau deportiert, wo er die Häftlingsnummer 14354 trug.“
*(Quelle: Elisabeth Walder, „KZ-Dachau-Häftlingsnummer 14354“)*
Picture
Quelle: LG Innsbruck Vr 1011/38, Verfahren wegen Amtsmissbrauch und anderes, eingestellt nach § 109 StPO am 6. Juli 1938. E-Mail: Harald Stockhammer vom 28.2.2024. Quelle: LG (Landesgericht) Innsbruck: Einlaufprotokoll 1938 Vr (Vr = Register), ohne Seite. Das rote "P" bedeutet politisches Verfahren.

"Schutzhaft statt Freispruch: Die Deportation Ernst Verdross' nach Dachau 1938

Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 nutzte das NS-Regime konstruierte Strafverfahren, um politische Gegner, Juristen und Polizeibeamte systematisch zu verfolgen – darunter auch Dr. Ernst Verdross, Dr. Viktor Schumacher und Friedrich Corazza, wie historische Dokumente belegen.
Zwischen März und Juli 1938 schien die formale Rechtsstaatlichkeit zunächst noch gewahrt: Die Landesgerichtsbehörden leiteten Verfahren ein, doch es kam zu keiner rechtskräftigen Verurteilung der Beschuldigten. Eigentlich hätte dies ihre Freilassung zur Folge haben müssen. Doch das NS-System umging diese formale Hürde auf perfide Weise: Die Inhaftierten wurden einfach der Gestapo übergeben, die willkürlich sogenannte "Schutzhaft" verhängte.
Für Ernst Verdross und etwa 60 weitere Tiroler Beamte und Landesbedienstete hatte dies fatale Konsequenzen: Sie wurden ohne rechtliche Grundlage ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Die Justizbehörden hatten ihre Schutzfunktion aufgegeben und wurden zu Handlangern des Terrors.
Quellenangabe:
·       LG Innsbruck Vr 1011/38 P
·       (Verfahren wegen Amtsmissbrauch u.a., eingestellt nach § 109 StPO am 6. Juli 1938)
·       Landesgericht Innsbruck: Einlaufprotokoll 1938 Vr = Register, ohne Seiten Anzahl, aber Angabe des Jahres 1938. (Das rote "P" kennzeichnet politische Verfahren)
·       E-Mail-Auskunft Harald Stockhammer vom 28.2.2024
 
Picture
Picture
Foto: Zugangsbuch KZ-Dachau und Registrierungskarte Dr. Verdross KZ- Dachau. Arolsen Suchdienst. Online unter, {https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10773877}, (Stand 10.10.2023)

"Zwischen Familie und Gestapo: Dr. Verdrops' Kampf um Würde nach Dachau"

Für viele der Verhafteten markierte das KZ Dachau nur den Beginn eines langen Martyriums. Unter den Deportierten befanden sich Dr. Ernst Verdross, Dr. Manfred Mumelter, Dipl.-Ing. Herbert Pichler, Friedrich Corazza und Albin Rieger. Als sie 1939 endlich zurückkehren durften, waren sie körperlich und seelisch gebrochen – stumme Zeugen der NS-Gräuel.
Doch selbst nach der Entlassung blieb Dr. Verdross ein Gezeichneter. Unter ständiger Beobachtung der Behörden stehend, wagte er am 4. Juni 1940 einen besonders emotionalen Schritt: Er begleitete seine fünfjährige Tochter zur Erstkommunion. Dieser private Moment familiärer Freude sollte jedoch jäh enden. Noch am selben Tag wurde er vom Haller Gestapo-Beamten Heinrich Andergassen verhaftet und einem schikanösen Verhör unterzogen.
Die Begründung? Verdross hatte es abgelehnt, den "Hitlergruß" zu zeigen. Seine Antwort an die Schergen der Gestapo verrät viel über seinen Charakter:
„Weil ich dies für einen Dachauer als unpassend ansehe. Übrigens werde ich von bekannten Nationalsozialisten mit ›Habe die Ehre‹ gegrüßt."
Diese Worte – dokumentiert in seinem KZ-Dachau-Erinnerungsprotokoll – zeigen einen Mann, der selbst in der Demütigung seine Würde bewahrte.
Quellen:
·       KZ-Dachau Erinnerungsprotokoll Dr. Ernst Verdross
·       Zugangsbuch KZ-Dachau und Registrierungskarte Dr. Verdross (Arolsen Archives)
·       Online unter: [https://collections.arolsen-archives.org/de/document/10773877] (Stand 10.8.2025)
 

"Juni 1940: Willkürjustiz der Gestapo – Dr. Verdross‘ zweite Verhaftung"

Verhaftung & Vorwürfe

Am 16. Juni 1940 wurde Dr. Ernst Verdross erneut verhaftet – diesmal auf persönliche Initiative des Gestapo-Beamten Heinrich Andergassen, der in derselben Haller Straße wohnte. Der Vorwand? Verdross hatte seine Fenster für die Fronleichnamsprozession geschmückt, nicht aber für NS-Feiern. Das Verhör protokollierte er später sarkastisch:
„Ihr Kind hat ungewöhnlich früh die Erstkommunion erhalten.“ – „Ja.“
„Die Feier war auffallend feierlich.“ – „Ja.“
„Sie fotografierten die Prozession.“ – „Ja.“
„Ist das verboten?“, fragte ich erleichtert.
„Nein“, kam die Antwort, „aber Sie schmückten nicht für unsere Siege. Ihre Kinder sind nicht nationalsozialistisch erzogen. Schutzhaft!“
​

"Zelle der Widerständigen: Innsbrucker Gefängnis als Treffpunkt der Regimegegner"

Haft & Interventionen

Im Innsbrucker Polizeigefängnis traf Verdross auf eine bemerkenswerte Gemeinschaft: Priester, Grafen, Monarchisten und Sozialdemokraten – allesamt Opfer des NS-Terrors. Seine Frau erfuhr durch Prof. Egger (ehemaliger Religionslehrer von Gauleiter Hofer), die Lage sei „nicht gefährlich“. Selbst Andergassen spielte Doppelrolle: Während er die Verhaftung befohlen hatte, tat er nun „hilfsbereit“.

"Unbeugsam trotz Drohungen: Zwangsrekrutierung in die NSDAP?"

Mit der Freiheit kam die Erpressung: Ortsgruppenleiter Vinzenz Tollinger bot an, alle „Probleme“ zu lösen – wenn Verdross der NSDAP beiträte. Die Bedingungen waren klar:
·       Jeder weitere Kirchenbesuch würde Deportation nach Dachau bedeuten
·       Austritt aus der katholischen Kirche wurde nahegelegt
Doch Verdross blieb standhaft. Unbekannt war ihm damals, dass Andergassen ihn eigenmächtig verfolgt hatte – ein Detail, das erst 1945 durch Gestapo-Akten ans Licht kam.

"Späte Gerechtigkeit: Das Ende des Täters Andergassen"

Historische Einordnung

Picture
Quelle: Akt Heinrich Andergassen Präs. III 1233/46 in: Historisches Archiv der Landespolizeidirektion Tirol.

Dr. Ernst Verdross -4. Mai 1945

Zurück im Dienst der Gemeinde: Dr. Verdross‘ Beitrag zur Nachkriegsordnung"
Am 4. Mai 1945 übergab sich die Stadt Solbad Hall kampflos an die US-amerikanischen Truppen. In dieser Stunde des Neubeginns wurde Dr. Ernst Verdross wieder in sein früheres Amt als Magistratssekretär eingesetzt - jene Position, die er bereits vor dem "Anschluss" 1938 innegehabt hatte.
Mit unermüdlichem Einsatz übernahm er nun die Leitung der Stadtverwaltung und bewältigte gemeinsam mit der Gemeindeführung die drängenden Herausforderungen der Nachkriegszeit. Seine Erfahrung und Integrität erwiesen sich als unverzichtbar für den Wiederaufbau der schwer geprüften Stadt.
Im Januar 1958 fand schließlich ein feierlicher Abschiedsabend statt, bei dem Dr. Verdross und weitere verdiente Beamte in den Ruhestand verabschiedet wurden. Der Haller Lokalanzeiger würdigte in diesem Zusammenhang öffentlich seine herausragenden Verdienste für die Stadt und ihre Bürger.

Einfluss von Zeitgeschichte und politischem Umfeld

Die Biografie von Hofrat Dr. Ernst Verdross lässt sich auf verschiedene Weisen mit der Zeitgeschichte verknüpfen und den Einfluss seiner Arbeit auf die damalige Zeit verdeutlichen:
1.     Nachkriegszeit und Wiederaufbau: Ernst Verdross' Engagement im Wiederaufbau seiner Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg spiegelt die Bemühungen und Herausforderungen der Nachkriegszeit wider. Seine Führung bei der Sanierung der Stadt Hall, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verbesserung der Lebensbedingungen zeigt die Anstrengungen, die viele Gemeinden und Städte unternahmen, um sich von den Kriegsfolgen zu erholen.
2.     Politische Veränderungen: Die Bereitschaft von Ernst Verdross, sich nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Dachau nicht mehr politisch zu betätigen, kann auf die politischen Unsicherheiten und die Umwälzungen der Zeit zurückgeführt werden. Die Auseinandersetzung mit der politischen Vergangenheit und der Wunsch, sich stattdessen auf den Wiederaufbau zu konzentrieren, spiegelt die politische Landschaft der Nachkriegszeit wider.
3.     Finanzielle Stabilität und Verwaltungsreform: Ernst Verdross' Betonung einer geordneten Finanzverwaltung und einer sparsamen Verwaltung war in der Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit und Rekonstruktion von großer Bedeutung. Diese Prinzipien standen im Einklang mit den Bemühungen vieler Städte und Gemeinden, ihre Haushalte zu stabilisieren und die Verwaltung effizienter zu gestalten.
4.     Soziale und kulturelle Entwicklung: Ernst Verdross' Förderung von Bildungseinrichtungen, kulturellen Institutionen und Infrastrukturprojekten in seiner Stadt spiegelt den Wunsch wider, das soziale und kulturelle Leben in der Gemeinde zu stärken und aufzubauen, was in der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle spielte.
5.     Kommunale Autonomie: Ernst Verdross' Bemühungen, die Autonomie seiner Stadt zu wahren und die Verstaatlichung der Elektrizitätswerke zu verhindern, verdeutlichen die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung und die Auseinandersetzung mit staatlichen Eingriffen in die lokale Verwaltung während dieser Zeit.
​
Insgesamt zeigt die Biografie von Ernst Verdross, wie ein Einzelner in seiner Gemeinde in der Nachkriegszeit einen positiven Einfluss ausüben konnte, indem er die Herausforderungen der Zeit aktiv angegangen ist. Dies verdeutlicht die Wechselwirkung zwischen individuellem Engagement und der Zeitgeschichte.
Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document.
Artikel von Dr. Ernst Verdross (1945-1948). In: StAH, Karton Dr. Ernst Verdross, Gemeindezeitung (o. D.).
Picture
Dokumente Dr. Ernst Verdross in: TLA, ATLR Va.+Vf. Opferfürsorge - 1139. ​​
Picture
Dokumente Dr. Ernst Verdross in: TLA, ATLR Va.+Vf. Opferfürsorge - 1139. ​
Picture
Picture
Dokumente Dr. Ernst Verdross in: TLA, ATLR Va.+Vf. Opferfürsorge - 1139. ​
Picture
HLA, in: Stadtarchiv Hall in Tirol. 4. Jänner 1958, S.2.
Picture
Picture
Quelle: Zeitungsbericht: Dr. Verdroß - 30 Jahre Stadtamtsdirektor in Hall in Tirol, in: Tiroler Tageszeitung, 3. Juni 1950, Nr. 127, in: Historisches Archiv der Landespolizeidirektion Tirol.
Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document.
Quelle: Nachruf Dr. Ernst Verdross in Studentenverbindung Unitas Österreich 1963, Heft 8/103. Jahrgang. E-mail Manfred Kuhl an Elisabeth Walder am 20. September 2024.
Picture
Picture
Quelle: Akt Andergassen Heinrich. Staatspräs. III 1233/46 in: Historisches Archiv der Landespolizeidirektion Tirol, Seite 1.
Obige Quelle macht deutlich, dass Heinrich Andergassen (1908-1946) als Gestapobeamter eigenmächtig vorgehen konnte. Er hatte die Deckung seiner Vorgesetzten und konnte daher verhaften, wen er im nationalsozialistischen Sinn maßregeln wollte. Es ist darauf hinzuweisen, dass Ernst Verdross nicht wusste, dass Andergassen hinter seiner Verhaftung vom Juni 1940 stand, die ihm wieder Schutzhaft einbrachte und ihn fürchten ließ, dass er ein zweites Mal nach Dachau ins Konzentrationslager deportiert werden würde. 
Picture
Foto: General Ignaz Verdross Edler und Freiherr zu Drossberg. Privatarchiv Dr. Edith Kaufmann Innsbruck.
0 Comments



Leave a Reply.

    Autorin

    ​Elisabeth Walder
    ​BA MA MA

    Historikerin-Ethnologin



    ​Archive

    Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands 

    Maislinger, Andreas : Die große Verfolgungswelle nach dem "Anschluss" In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hrsg.): 
    Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934 - 1945. Eine Dokumentation (2). Wien/München 1984, 391, 399, 403, 410f, 448, 457.

    Tiroler Landesarchiv Innsbruck

    Dokumente Dr. Ernst Verdross in: TLA, ATLR Va.+Vf. Opferfürsorge - 1139. ​

    Arolsen Suchdienst. Online unter, {https://arolsen-archives.org/suchen-erkunden/suche-online-archiv/}, (Stand9.8.2024)

    Historisches Archiv der Landespolizeidirektion Tirol
    Akt Heinrich Andergassen, geb. 30.8.1908 in Hall in Tirol, wohnhaft in Hall in Tirol Ritter Waldaufstraße 8, Präs. III. 1233/46, S. 1. (E-Mail: Peter Hellensteiner vom Hist. Archiv der Landespolizeidirektion Tirol) sowie
    Quelle: LG Innsbruck Vr 1011/38, Verfahren wegen Amtsmissbrauch und anderes, eingestellt nach § 109 StPO am 6. Juli 1938 E-Mail: Harald Stockhammer vom 28.2.2024

    Akt St. P. 10435/53, Dr. Verdroß, Zeitungsbericht: Dr. Verdroß - 30 Jahre Stadtamtsdirektor in Hall in Tirol, in: Tiroler Tageszeitung, 3. Juni 1950, Nr. 127, in: Historisches Archiv der Landespolizeidirektion Tirol.

    Archiv der Studentenverbindugn Unitas-Österreich


    Quelle: Unitas Heft 8, Jg. 103, August 1963. Email Manfred Kuhl am 20.9.2024 an Elisabeth Walder.

    Pfarrarchiv Hall in Tirol.
    ​Pfarrchronik 1895-1945


    Privatarchiv Dr. Edith Kaufmann Innsbruck


    Alfred Verdross 1890-1980. Medienspiegel, Biografie/Wissenschaftsarchive, Nachrufe, unpubliziert, 27. April 1980, S. 19, in: Privatarchiv Dr. Edith Kaufmann Innsbruck.

    Verdross, Dr. Ernst: KZ-Dachau Lebenserinnerungen. o. O. ,o. D. unpubliziert, S. 1-94. In: Privatarchiv Kaufmann, Dr. Edith. Innsbruck.

    ​

    Privatarchiv Architekt Dipl. Ing. Dr. Markus Illmer Innsbruck

    ​
    Verdross, Dr. Ernst: KZ-Dachau Lebenserinnerungen. o. O. ,o. D. unpubliziert, S. 1-94. In: Privatarchiv Architekt Dipl. -Ing.  Dr. Markus.Illmer. Innsbruck.

    Stadtarchiv Hall in Tirol

    StAH, Schachtel Dr. Ernst Verdross. In: Stadtarchiv Hall in Tirol.

    Privatarchiv Elisabeth Walder Hall in Tirol

    Elisabeth Walder: Die Lebenserinnerungen von Dr. Ernst Verdross. Eine Analyse aus europäisch-ethnologischer Perspektive unter besonderer Berücksichtigung seiner Zeit im Konzentrationslager Dachau. Masterarbeit Hist. Fak. der Universität Innsbruck, 2024. Online unter: Universität- Innsbruck, Bibliothekskatalog. 


    E-Mail, Manfred Kuhl: Dr. Ernst Verdross. 16. Juli 2024 an Elisabeth Walder Hall in Tirol.
    Quelle: 
    Unitas Heft 8/1963, S. 31 f.; U-H IV, 468.

    Verdross, Dr. Alfred: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie . Online unter: {https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Verdross}, (Stand 10.10. 2023)

    ​ General Ignaz Verdross zu Drossberg. Wikipedia. Die freie Enzyklopädie . Online unter:{https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Verdro%C3%9F_von_Dro%C3%9Fberg}, ( Stand 10.10.2023)

    OBL.General Ignaz Verdross.  Online unter:{
    https://www.biographien.ac.at/oebl/oebl_V/Verdross-Drossberg_Ignaz_1851_1931.xml}, (Stand 10.10.2023)

    Publikationen:
    ​
    Kerschbaumer, Arno: Nobilitierungen unter der Regentschaft Kaiser Karl I. /IV. Karoly kiraly (1916-1921). Graz 2016, S. 137.
    ​
    Steinacher, Gerald: „In der Bozner Zelle erhängt ...“ Roderick Hall – einziges Ein-Mann-Unternehmen des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes in Südtirol. Innsbruck 1999.

    ​

    ​Elisabeth Walder: KZ-Dachau Häftlingsnummer 14354, Innsbruck 2025.

    October 2023

    Kategorie
    ​Zeitgeschichte

    All

    RSS Feed

Proudly powered by Weebly