„Vergessenes Archiv“ – Ein Blick zurück auf den März 1938 in Solbad Hall„Hast Du’s schon gehört?“ – Mit diesen Worten begann für viele Menschen in Solbad Hall (heute Hall in Tirol) eine Zeit des Umbruchs, der Angst, aber auch der unkritischen Begeisterung. Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein, und die nationalsozialistische Machtübernahme veränderte das Leben in der kleinen Stadt schlagartig. In seiner Stadtchronik hielt Prof. Egger die Stimmung jener Tage fest: Die anfängliche Euphorie mancher Haller wich bald Ernüchterung, als politische Gegner verhaftet, Vereine aufgelöst und selbst die Schulen ideologisch gleichgeschaltet wurden. An die Stelle des Schulgebets trat der Hitlergruß, HJ und BDM prägten den Alltag der Jugend, und wer Widerstand wagte, verschwand in Gefängnissen oder Konzentrationslagern wie Dachau. Doch wie sah das offizielle Bild dieser Zeit aus? Die NS-Propaganda zeigte Hall im Freudentaumel – doch hinter den jubelnden Fassaden begann für viele eine Zeit der Verfolgung. "Forgotten Archives" - A Look Back at March 1938 in Solbad Hall"Have you heard the news?" - With these words, a time of upheaval began for the people of Solbad Hall (today Hall in Tirol). On March 12, 1938, German troops marched into Austria, and the Nazi takeover abruptly transformed life in this small town. As recorded in Prof. Egger's city chronicle, the initial euphoria among some citizens soon gave way to disillusionment. Political opponents were arrested, associations dissolved, and even schools were ideologically aligned. The Hitler salute replaced school prayers, the Hitler Youth and League of German Girls dominated daily life, and those who dared to resist disappeared into prisons or concentration camps like Dachau. But what did the official narrative look like? Nazi propaganda portrayed Hall in a frenzy of celebration - yet behind the cheering facades, a time of persecution began for many.  Zeitungsbericht vom 18. März 1938: „Hall im Zeichen des Führers“ (Originalartikel aus einer NS-nahen Regionalzeitung, Innsbrucker Nachrichten, leicht gekürzt)[Foto: Hall in Tirol, beflaggt mit Hakenkreuzfahnen am Rathaus, März 1938] Mit ungeheurem Jubel begrüßte die Bevölkerung von Solbad Hall den Anschluss an das Deutsche Reich. Schon in den frühen Morgenstunden des 13. März strömten Tausende auf die Straßen, um den historischen Moment zu feiern. Das Rathaus, geschmückt mit Hakenkreuzfahnen, wurde zum Mittelpunkt der Kundgebungen. Der interimistische Bürgermeister Silvio Jud betonte in seiner Ansprache die ‚Befreiung Österreichs und rief die Haller auf, geschlossen hinter dem Führer zu stehen.* Besonders die Jugend zeigte sich begeistert: HJ und BDM formierten sich zu imposanten Aufmärschen, und in den Schulen wurde der Unterricht fortan im ‚Geiste des Nationalsozialismus‘ gestaltet. Auch die Wirtschaft atmete auf – viele begrüßten die erhoffte ‚Wende‘ nach Jahren der Arbeitslosigkeit und Unsicherheit. Mit der sofortigen Eingliederung in die deutsche Verwaltung beginnt für Hall eine neue Ära des Aufbruchs. Die Stadt steht, wie ganz Österreich, nun fest im großdeutschen Reich.“ Was der Artikel verschweigt Hinter der propagandistischen Freudenkulisse lief bereits die Verfolgung politischer Gegner und jüdischer Bürger an. Vereine wie der katholische Gesellenverein wurden besetzt, kritische Stimmen mundtot gemacht. Der scheinbare „Aufbruch“ war für viele ein Weg in Unterdrückung und Krieg. Im nächsten Beitrag des Vergessenen Archivs beleuchten wir, wie sich das Leben in Hall in den folgenden Monaten veränderte – und welche Schicksale sich hinter den offiziellen Schlagzeilen verbargen. Hinweis: Alle Archivbeiträge dienen der historischen Aufarbeitung und Erinnerung. Wir laden Zeitzeugen*Innen und Nachkommen ein, ihre Perspektiven mit uns zu teilen.
*(Quellen: StAH, Karton Dr. Ernst Verdross. Stadtchronik Prof. Egger. NS-Regionalzeitung März 1938, Anno Archiv, Online: Innsbrucker Nachrichten. 18. März 1938)*
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