Im nationalsozialistischen Deutschland konnten regimekritische Äußerungen bereits als sogenannte "Wehrkraftzersetzung" strafrechtlich verfolgt werden. Der Fall der Hausfrau Katharina Strauss aus Hall in Tirol zeigt, wie gefährlich es war, Zweifel an Hitlers Herrschaft oder am Ausgang des Zweiten Weltkriegs zu äußern. Ihre spontane Kritik während eines Aufenthalts in der Untersteiermark führte 1944 zu einer Zuchthausstrafe. Der Vorfall ist ein Beispiel für die Unterdrückung von Meinungsfreiheit im NS-Staat und verdeutlicht, wie alltägliche Gespräche zur existenziellen Bedrohung werden konnten. Am 18. April 1944 begab sich Katharina Strauss auf eine Einkaufsfahrt nach Oberradkersburg in der Untersteiermark.Während ihres Aufenthalts im Gasthaus Wratschko ereignete sich folgendes Geschehen: Als Gäste das Lokal betraten und mit einem "Heil Hitler"-Gruß grüßten, zeigte sich Katharina Strauss überrascht darüber, dass dieser Gruß hier noch verwendet wurde. In einem Gespräch äußerte sie sich kritisch über die aktuellen Aussichten für Hitler und den Ausgang des Krieges. Sie äußerte die Meinung, dass der Weltkrieg durch die Situation in Italien entschieden werde und zweifelte daran, dass Hitler die Kontrolle über das Deutsche Reich behalten würde, ab Mai oder Juni. In einem bemerkenswerten Schritt schloss Katharina Strauss eine schriftliche Wette vor Zeugen mit dem Gastwirt Wratschko ab, bei der es um 1000 RM ging. Diese Wette bezog sich darauf, dass Hitler ab Mai oder Juni nicht mehr regieren würde. Es ist wichtig anzumerken, dass sie im Zuge dieser Diskussion die Anwesenden darum bat, sie nicht anzuzeigen, da sie befürchtete, ihr Leben zu verlieren, sollte ihre Meinungsäußerung Konsequenzen nach sich ziehen. Dieser Bericht dokumentiert die Vorkommnisse im Gasthaus Wratschko am 18. April 1944 und die Äußerungen von Katharina Strauss während dieses Vorfalls. Am 20. April 1944 erging ein weiteres Urteil des Obersten Gerichtshofs in Wien, das die strenge Bestrafung von Wehrkraftzersetzung verdeutlichte. Katharina Strauss, geborene Koidl, zuletzt wohnhaft in Hall in Tirol und Alois Villgrattner aus Ampass wurden in diesem Zusammenhang verurteilt. Katharina Strauss, Hausfrau und verheiratet, wurde aufgrund nachfolgenden Berichts zu einer Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus sowie zu einem dreijährigen Ehrverlust verurteilt. Convicted of Undermining Military Morale: The Case of Katharina Strauss and Her Anti-Regime Remarks in April 1944 In Nazi Germany, expressing criticism of the regime could be prosecuted as “undermining military morale” (Wehrkraftzersetzung). The case of Katharina Strauss, a housewife from Hall in Tirol, illustrates the danger of voicing doubt about Hitler’s rule or the outcome of World War II. Her spontaneous remarks during a visit to Lower Styria in 1944 resulted in a prison sentence. This incident exemplifies the suppression of free speech under the Nazi regime and shows how everyday conversations could become life-threatening. On April 18, 1944, Katharina Strauss went on a shopping trip to Oberradkersburg in Lower Styria. During her stay at the Wratschko inn, the following incident occurred: When guests entered the establishment and greeted with the "Heil Hitler" salute, Katharina Strauss expressed surprise that this greeting was still being used there. In a conversation, she voiced critical opinions about Hitler’s prospects and the outcome of the war. She stated that the world war would be decided by the situation in Italy and expressed doubt that Hitler would retain control over the German Reich from May or June onward. In a remarkable step, Katharina Strauss made a written bet with the innkeeper Wratschko in the presence of witnesses, wagering 1,000 Reichsmarks that Hitler would no longer be in power as of May or June. It is important to note that during the discussion, she asked those present not to report her, fearing for her life if her statements were to have consequences. This report documents the events at the Wratschko inn on April 18, 1944, and the remarks made by Katharina Strauss during the incident. On April 20, 1944, a further ruling by the Supreme Court in Vienna demonstrated the severity with which acts of "undermining military morale" (Wehrkraftzersetzung) were punished. Katharina Strauss, née Koidl, most recently residing in Hall in Tirol, and Alois Villgrattner from Ampass were convicted in this context. Katharina Strauss, a married housewife, was sentenced, based on the above report, to two years and six months in prison and a three-year loss of civic honor. DÖW: OriginaldokumenteQuelle: DÖW (Hrsg.) : Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934 - 1945. Eine Dokumentation (1), Wien/München 1984, S. 311-313. (Katharina Strauss)
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