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Foto Josef Kaltschmid, in: Helmut Wopfner (Hrsg.), Unsere Sternkorona Hall in Tirol. Mitgliederverzeichnis 1888 – 1998, Thaur 1998, S.46. In den Geschichtsbüchern finden wir oft die großen Namen und spektakulären Ereignisse des Nationalsozialismus. Doch der wahre Schrecken, aber auch der wahre Widerstand, spielte sich oft im Kleinen ab – in den Dörfern und Gemeinden, getragen von mutigen Einzelpersonen. Eine solche Figur war Pfarrer Josef Kaltschmid (1894 – 1948) aus Brandenberg in Tirol. Vom Schüler zum SeelsorgerJosef Kaltschmid wurde am 14. Jänner 1894 in Schwaz geboren. Seine prägenden Jahre verbrachte er am Kaiser Franz-Josef-Gymnasium, dem heutigen Franziskanergymnasium, in Hall in Tirol. Schon in jungen Jahren, am 23. November 1902, trat er der damals noch geheimen Schülerverbindung Sternkorona Hall bei – ein frühes Zeichen für seine Verbundenheit mit einer Gemeinschaft, die wohl auch Werte wie Zusammenhalt und kritischen Geist pflegte. Seine Berufung fand er im Glauben. Nach seiner Matura studierte er Theologie und wurde am 14. Juli 1907 zum Priester geweiht. Seine seelsorgerische Laufbahn begann er als Kooperator (Hilfspfarrer) in Brandenberg, Fieberbrunn und Kitzbühel. Im Jahr 1925 kehrte er schließlich als Pfarrer nach Brandenberg zurück, die Gemeinde, die zu seinem Schicksalsort werden sollte. Konfrontation mit dem NS-RegimeIn seiner Rolle als Pfarrer war Josef Kaltschmid nicht nur für die geistliche Betreuung seiner Gemeinde zuständig, sondern auch ein wichtiger Bezugspunkt in einer zunehmend verunsicherten Zeit. Seine Haltung machte ihn den neuen Machthabern bald verdächtig. Die nationalsozialistische Willkür traf ihn mit voller Härte, als er vom 28. Februar bis zum 8. März 1940 im Polizeigefängnis in Innsbruck inhaftiert wurde. Der Vorwurf der Gestapo war vage und zugleich brandgefährlich: „Unruhestiftung und staatsfeindliches Verhalten“. Die Anschuldigungen der Gestapo In der Begründung der Geheimen Staatspolizei hieß es: „Pfarrer Josef Kaltschmid fiel in den vergangenen Jahren wiederholt politisch sehr unangenehm auf. Er musste mehrfach staatspolizeilich bestraft werden.“ Diese Formulierung – „politisch sehr unangenehm auffallen“ – war der typische Sprachgebrauch eines Unrechtsregimes. Sie konnte alles bedeuten: eine kritische Predigt, tröstende Worte für Angehörige von Regimegegnern, die Weigerung, den Hitlergruß zu erwidern, oder einfach nur die Aufrechterhaltung eines vom Regime unabhängigen katholischen Lebens. Die Folgen seiner Verhaftung waren schwerwiegend. Ihm wurde mit Schulverbot belegt. Das bedeutete, er durfte weder Religionsunterricht erteilen noch die traditionelle Erstkommunionvorbereitung durchführen – ein gezielter Schlag gegen sein priesterliches Amt und den Versuch, seinen Einfluss auf die Jugend zu brechen. Ein Vermächtnis des ZivilcouragesWas genau Pfarrer Kaltschmid sagte oder tat, um das Regime zu verärgern, ist aus der kurzen Notiz nicht ersichtlich. Doch gerade das macht seine Geschichte so bedeutsam. Sein Fall steht stellvertretend für Hunderte Priester, Nonnen und gläubige Laien, die nicht mit Waffen, sondern mit ihrem Glauben, ihrem Gewissen und ihrer standhaften Haltung Widerstand leisteten.
Er starb 1948, nur drei Jahre nach dem Ende des Krieges, mit den körperlichen und seelischen Narben dieser Verfolgung. Die Erinnerung an Menschen wie Josef Kaltschmid mahnt uns, dass Zivilcourage nicht immer laut sein muss. Manchmal besteht sie einfach darin, im Angesicht der Tyrannei das Richtige zu tun und Menschlichkeit zu bewahren. Sein Schicksal ist ein wichtiges Stück regionaler Geschichte und ein beeindruckendes Beispiel für stillen, aber unbeugsamen Widerstand.
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