"Commemorating the Anti-Nazi Resistance and Victims of the Nazi Regime in Hall in Tirol"
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Walter Jud – Zwischen Parteibuch und Widerstand. Eine ambivalente Figur in Solbad Hall 




Ing. Walter Jud (1906 - ?)

10/1/2025

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Blog (EN) 128 Ing. Walter Jud
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Foto Historisches Rathaus Hall in Tirol (2025). In: Privatarchiv K. Walder Hall in Tirol.

Einleitung: Eine Biografie des taktischen Überlebens

​Walter Jud, am 20. Mai 1906 in Hall in Tirol in eine der ältesten Bürgerfamilien der Stadt geboren, ist eine historische Figur, deren Handeln primär von strategischer Anpassung geprägt zu sein scheint. Der entlastende Bericht des Widerstandskämpfers Anton Haller von 1945 zeichnet ein bestimmtes Bild, doch die darin enthaltenen Fakten offenbaren ein Muster des taktierenden Überlebens in wechselhaften politischen Systemen.
Der Bericht beschreibt Juds Einstieg in die NSDAP im Jahr 1932 als erzwungen: Um seinen Posten als Lagerverwalter in Innsbruck zu sichern, trat er auf Drängen seines Vorgesetzten bei. Es wird betont, er habe nie ein Mitgliedsbuch erhalten, um Distanz zu suggerieren.
Genau diese Darstellung entpuppt sich jedoch als Kern des sogenannten "Persilscheins". Die Quelle selbst liefert den Widerpruch: Sie gibt zu, dass Jud sein Mitgliedsbuch 1941 erhielt und es 1944 – als disziplinäre Maßnahme – wieder abgeben musste.
Sein politischer Werdegang zeigt ein klares Muster der Anpassung:
  • 1932: Eintritt in die NSDAP, um einen Job in der Privatwirtschaft zu behalten.
  • 1937/38: Eintritt in die Vaterländische Front (vom 21.4.1937 bis 13.3.1938), um unter dem austrofaschistischen Ständestaat eine Stelle in der Haller Stadtverwaltung zu erhalten.
  • Ende 1938: Nach dem "Anschluss" erneute Meldung bei der NSDAP, um sich den neuen Machthabern zu assimilieren.
Diese Abfolge legt nahe, dass Walter Jud das jeweils herrschende Parteibuch konsequent als Mittel zum beruflichen Fortkommen nutzte. Seine spätere Konfrontation mit dem NS-Regime und die Zusammenarbeit mit der Widerstandsbewegung ab 1944 können somit auch als eine weitere taktische Kehrtwende interpretiert werden – motiviert durch die Einsicht in die bevorstehende Niederlage des Regimes und den Wunsch, seine Position im zukünftigen Nachkriegs-Österreich zu sichern.
Seine Geschichte ist ein Beispiel für die komplexen Überlebensstrategien eines Mannes, der in unterschiedlichen Systemen stets seinen Vorteil suchte und dabei schließlich Handlungen vollzog, die – unabhängig von seiner Motivation – für die Stadt Hall und viele ihrer Bewohner positive Folgen hatten. Der folgende Bericht beleuchtet diese ambivalente Rolle.

Ein rätselhafter Fall

Auf den ersten Blick war Walter Jud ein Funktionär des NS-Systems: Parteimitglied, Kanzleileiter im Rathaus von Hall und Träger einer Parteuniform. Doch der Bericht von Anton Haller, einem führenden Kopf der österreichischen Widerstandsbewegung, zeichnet ein völlig anderes Bild. Jud nutzte seine Stellung systematisch, um die Bevölkerung zu schützen, Verfolgten zu helfen und die radikalen Pläne des Regimes zu sabotieren. Seine Geschichte ist ein Beispiel für den "stillen Widerstand" von innerhalb des Apparates.

1. Wer war Walter Jud? Eine zwiespältige Parteikarriere

  • Zwangseintritt und distanziertes Mitgliedschaft: Jud trat 1932 der NSDAP bei, als diese noch legal war, primär um seinen Job in Innsbruck zu sichern. Er erhielt lange Zeit weder Ausweis noch Mitgliedsbuch, nur eine mündliche Nummer. Nach seiner Entlassung im Jahr 1933 aus dem Betrieb Erhart& Auer in Innsbruck stellte er die Beitragszahlungen ein.
  • Der "Parteidienstverpflichtete": Seine Position als Kanzleileiter im Haller Rathaus erhielt er nicht aufgrund seiner Überzeugung, sondern weil er als fachlich tüchtig galt. Die Parteiuniform war ihm gestellt und er musste sie nur bei bestimmten Anlässen tragen. Er gehörte keiner Kampfformation der Partei an, sondern nur der unpolitischeren Technischen Nothilfe.
  • Schwierigkeiten mit der Parteiführung: Die Abgabe seines Mitgliedsbuches 1944 deutete auf ein Parteiverfahren hin, vermutlich wegen seiner Parteinahme für Verfolgte. Der Bericht listet mehrere Konflikte mit Gau- und Kreisleitung auf, die seine oppositionelle Haltung belegen.

2. Stiller Widerstand: Hilfe für Verfolgte und die Kirche

Walter Jud nutzte seine Amt Stellung konsequent, um humanitäre Hilfe zu leisten und Unrecht abzumildern.
  • Schutz für Inhaftierte: Er setzte sich für eine Reihe von Verfolgten ein, darunter die Autobesitzer Heiß, Hofrat Dr. Kneußl, Reichmann und Grünmandl. Besonders erwähnt wird sein Einsatz für  Dr. Schumacher und Anton Haller selbst, deren Verhaftung er verhinderte bzw. verkürzte.
  • Unterstützung der Kirche: In einer Zeit, in der die Kirche bedrängt wurde, verhielt sich Jud stets korrekt. Sein bemerkenswertestes Verdienst war die Rettung der wertvollen Kelche und des Kirchengeschirrs des aufgelösten Franziskanerklosters. Er verwahrte diese vor der Gestapo und informierte die Widerstandsbewegung über den Versteckort, damit die Gegenstände gerettet werden konnten.
  • Geheimnisbewahrung: Er deckte vertrauliche Informationen, wie einen Brief, der seinen heimlichen Wiedereintritt in die Kirche ermöglichte, oder einen geplanten fingierten Einbruch zur Rückerlangung von Kirchenbüchern.

3. Sabotage von NS-Politik und Kriegsmaßnahmen

Jud wehrte sich aktiv gegen die Willkür und die zerstörerischen Pläne des Regimes im April 1945.
  • Verhinderung von Brückensprengungen: In den letzten Kriegstagen war es seine entscheidende Zusammenarbeit mit dem Standortoffizier Hauptmann Baumgartner und der Widerstandsbewegung, die die wiederholt befohlene Sprengung der Haller, Milser und Volderer Brücken verhinderte. Dies rettete die lebenswichtige Infrastruktur der Stadt.
  • Verhinderung der "Verteidigung bis zum Untergang": Ein SS-Führer plante, Hall bis zur völligen Zerstörung zu verteidigen, was auch die Vernichtung Innsbrucks bedeutet hätte. Jud arbeitete fieberhaft daran, diesen Plan zu unterlaufen.
  • Widerstand gegen Gauleiter-Willkür: Der Bericht listet zahlreiche Konflikte auf, etwa um unrechtmäßige Wohnungsbeschlagnahmungen, die Auflösung der Saline oder übermäßige militärische Einquartierungen.

4. Die Rettungsaktion für die Widerstandskämpfer

Eine Schlüsselszene zeigt, wie gefährlich die Zusammenarbeit war: Als die Führungsspitze der Haller Widerstandsbewegung (u.a. Dr. Schumacher, Anton Walder, Ehrenreich Thöni) unerkannt ins Rathaus ging, waren dort just der SS-Führer und Gestapo-Beamte anwesend, die über Massenverhaftungen sprachen. Walter Jud bemerkte die Ankömmlinge vom Fenster aus, verschwand unter einem Vorwand und warnte sie im letzten Moment. Diese Geistesgegenwart rettete ihnen und ihm vermutlich das Leben.

5. Das Motiv: Soziale Gerechtigkeit statt Ideologie

Laut Anton Haller war Juds Handeln nicht von politischem Kalkül, sondern von seinem Charakter geprägt:
  • Soziales Gewissen: Er half besonders den Arbeitern und Armen, da diese am wenigsten Möglichkeiten zur Selbsthilfe hatten.
  • Integrität und Bescheidenheit: Er galt als völlig unbestechlich, arbeitete viel und lebte bescheiden. Sein Ruf in der Bevölkerung war so gut, dass man sagte: "Wenn alle Nazis so wären wie Herr Jud, dann gäbe es keinen Krieg und kein KZ."
  • Persönliche Einsicht: Durch Gespräche mit Haller erkannte er allmählich, dass er einem verbrecherischen System gedient hatte, und vollzog eine innere Wandlung.

Fazit: Ein ambivalentes Vermächtnis

Walter Jud bleibt eine historisch ambivalente Figur. Äußerlich ein NS-Funktionär, war er im Inneren ein Gegner des Systems, der seine Position geschickt nutzte, um Schlimmeres zu verhindern. Sein Fall zeigt, dass Widerstand viele Gesichter haben konnte. Ohne Männer wie ihn, die in Schlüsselpositionen "vernünftig dachten", wäre Hall möglicherweise zerstört worden und viele Menschen hätten ihr Leben verloren. Die Widerstandsbewegung erkannte dies an und stellte sich nach Kriegsende schützend vor ihn.

Quellenkritische Einordnung

Der vorliegende Text ist nicht einfach ein neutraler Bericht, sondern eine gezielte Stellungnahme mit Entlastungsabsicht (umgangssprachlich auch "Persilschein"). Es ist entscheidend, ihn in diesem historischen Kontext zu lesen:
  1. Zweck der Quelle: Der Bericht wurde vermutlich Mitte 1945 auf Anforderung der österreichischen Widerstandsbewegung verfasst. Sein primäres Ziel war es, Walter Jud gegenüber den neuen alliierten oder österreichischen Behörden als Entlasteter ("Minderbelasteter") oder sogar als stillen Widerstandskämpfer darzustellen, um ihn vor straf- oder berufsrechtlichen Konsequenzen (Entnazifizierung) zu schützen.
  2. Verfasser und Perspektive: Der Autor, Meister Anton Haller, war ein führendes Mitglied der Widerstandsbewegung in Hall. Seine Schilderung ist daher bewusst einseitig und wertschätzend. Er präsentiert Jud als Verbündeten und Helfer. Eine kritische Distanz zu Jud oder eine Darstellung möglicher ambivalenter Handlungen ist nicht zu erwarten.
  3. Was der Text verschweigt: Als "Persilschein" konzentriert sich der Text ausschließlich auf die entlastenden Handlungen. Was Jud in seiner Funktion als Kanzleileiter an systemkonformen Befehlen dennoch ausführen musste und welche Kompromisse er möglicherweise einging, wird ausgeklammert oder als unvermeidbar dargestellt. Die Quelle zeigt uns also die eine, entschuldigende Seite der Medaille.
  4. Trotzdem wertvoll: Trotz dieser Einseitigkeit ist der Text von hohem historischem Wert. Die konkreten Schilderungen seiner Hilfe (Rettung der Kirchenkelche, Verhinderung von Brückensprengungen, Warnung vor der Verhaftung) sind zu spezifisch und detailreich, um frei erfunden zu sein. Sie geben Einblick in die Grauzonen und Handlungsspielräume, die es auch innerhalb des NS-Apparates gab, und zeigen, wie Widerstand und Humanität selbst aus scheinbar systemkonformen Positionen heraus möglich waren.
Fazit: Dieser Bericht sagt uns weniger über die objektive Gesamtbiografie Walter Juds, sondern mehr darüber, wie die lokale Widerstandsbewegung ihn sah und wie sie seine Handlungen für sich nutzen und nach Kriegsende rechtfertigen konnte. Er ist ein Beleg für die komplexen Verstrickungen und die Zusammenarbeit zwischen scheinbaren Gegnern im Mikrokosmos einer Kleinstadt.

Nachwort: Das Leben nach 1945 – Eine ambivalente Ehrung

Die Schutzbemühungen der Widerstandsbewegung waren erfolgreich. Walter Jud wurde nicht als belasteter Nationalsozialist eingestuft, sondern konnte, gestützt auf die Aussagen von Anton Haller und anderen, in den Dienst der Stadt zurückkehren. Seine fachliche Kompetenz und seine lokal anerkannte Integrität wurden auch in der Nachkriegszeit geschätzt. Bis zu seiner Pensionierung bekleidete Ing. Walter Jud eine Stelle im städtischen Wasserwerk von Hall.
Seine Prägung in diesem Amt war so stark, dass er im Volksmund den Spitznamen "Wasserjud" erhielt. Dieser Name ist aus heutiger Sicht ambivalent: Einerseits kann er als Zeichen der Vertrautheit und der informellen Anerkennung seiner Person gelesen werden – eine Art Ehrung durch die Bevölkerung. Andererseits steht die Zusammenziehung seines Nachnamens mit seiner Funktion in einer traditionellen, kleinstädtischen Praxis, die auch eine gewisse Derbheit nicht vermisst. Dieser Spitzname macht deutlich, wie tief er im Alltagsleben der Stadt verwurzelt war, und markiert gleichzeitig den schwierigen Weg, den Jud nach seiner formalen NS-Vergangenheit gehen musste. Letztlich unterstreicht seine weitere Karriere, dass seine wahre Haltung während der NS-Zeit von der Gemeinde anerkannt wurde. Sein Lebensweg steht symbolisch für die komplexe Wiedereingliederung eines Mannes, der seine schwierige Position im Dritten Reich genutzt hatte, um gegen Ende des Regimes das Richtige zu tun.
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    Autorin
    Elisabeth Walder
    ​BA MA MA

    Historikerin und Ethnologin

    Archive

    Stadtarchiv Hall in Tirol

    ​StAH, Karton Österr. Widerstandsbewegung, maschinengeschriebenes Schreiben in Durchschrift, Betreff: Herrn Ing. Walter Jud, wohnhaft Solbad Hall, Magdalenastr. II/II, im Zusammenhang mit der österreichischen Widerstandsbewegung. Verfasser vermutlich Schumacher Meister Anton Haller, undatiert - vermutlich Mitte Juni/Juli 1945, unsigniert.
    Hist. Hintergrund: Die Österr. Widerstandsbewegung, Innsbruck, verlangte sofort nach Kriegsende von den Ortsstellen der Freiheitsbewegung Angaben zu Tätigkeiten von ehemaligen NS-Funktionsträgern.
     

    October 2025

    Kategorie
    ​Zeitgeschichte

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