Einleitung: Frankreichs Besatzungspolitik in Tirol und Vorarlberg 1945 Am 19. Juli 1945 übernahm General Bethouart das Oberkommando der französischen Besatzungstruppen in Österreich. Er löste die amerikanischen Truppen in Tirol ab. Bethouart erklärte, dass das nationalsozialistische Streben nach „Weltherrschaft durch Macht und Gewalttätigkeit“ gescheitert sei. Alle Kräfte der Welt hatten sich gegen die nationalsozialistische Herrschaft vereint. Es endet in einem Zusammenbruch, nachdem es Trümmer und Verderben in einem Ausmaße angerichtet hat, wie es die Welt noch nicht kannte. Bei einem Empfang in der Innsbrucker Hofburg richtete er sich mit einer offiziellen Erklärung an die Bevölkerung Tirols und Vorarlbergs. Sein Appell erschien noch am selben Tag in der Tiroler Tageszeitung und betonte die friedlichen Absichten Frankreichs – doch zugleich erinnerte er an die schweren Wunden, die der Krieg dem Land geschlagen hatte. „Auch Sie in Österreich tragen einen Teil der Verantwortung an dieser Katastrophe. Viele von Ihnen – diesen erweise ich meine Hochachtung – haben von allem Anfang an diesen verbrecherischen Versuch zurückgewiesen. Ein allzu großer Teil jedoch hat den Anschluss herbeigesehnt und begeistert begrüßt. Deser Anschluss aber war nichts anderes als das Vorspiel für den Beginn eines Regimes, dessen letzter Sinn die Zerstörung der höchsten Errungenschaften menschlicher Kultur war. Jetzt müssen Sie die harten Folgen tragen. Zu Tausenden sind ihre Söhne gefallen. Ihre wirtschaftlichen und kulturellen Werte wurden zerstört. Bethouart machte deutlich: Frankreich war eines der Hauptopfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Familien trauerten, Städte lagen in Trümmern, und der Sieg über Deutschland war mit dem Blut unzähliger französischer Soldaten erkauft worden. Aus diesem Sieg, so der General, erwüchsen Frankreich nicht nur Rechte, sondern auch Verantwortung. Die französische Militärregierung werde für Ruhe und Sicherheit sorgen – doch wer die öffentliche Ordnung bedrohe, müsse mit unnachgiebiger Härte rechnen. Diese Worte markierten den Beginn einer neuen Ära in den westlichen Besatzungszonen Österreichs. Der Haller Pokal und der Empfang von General Bethouart 1945 Im Juli 1945 spielte die Stadt Hall in Tirol eine besondere Rolle bei den Feierlichkeiten zur Begrüßung des neuen französischen Gouverneurs von Tirol, General Émile Bethouart. Auf Bitte der Österreichischen Demokratischen Freiheitsbewegung unter Landesleiter Major Molling stellte die Stadt den berühmten Haller Pokal für die Empfangszeremonie zur Verfügung. Die Stadtführung unter Bürgermeister Dr. med. Viktor Schumacher kam dieser Bitte nach und überließ den kostbaren Pokal für den festlichen Anlass. Nach der Feier wurde das wertvolle Stück wieder sicher an die Stadt Hall zurückgegeben. Dieses Ereignis zeigt nicht nur die Bedeutung des Haller Pokals als repräsentatives Objekt, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen der österreichischen Widerstandsbewegung und der lokalen Verwaltung in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document. Tiroler Tageszeitung: Die Erklärungen des Herrn General Bethouart, Donnerstag 19. Juli 1945. In: Anno Suchportal online unter,https://anno.onb.ac.at/. Jetzt heißt es: Aufbauen! General Bethouart: "Im Laufe der Jahrhunderte haben uns Streitpunkte getrennt. Wiederholt sind sich die Armeen Frankreichs und Österreichs auf dem Schlachtfeld entgegengetreten. Nichtsdestoweniger bewahrte Frankreich die Hochachtung und Vorliebe für die hohe intellektuelle, moralische, wissenschaftliche und künstlerische Kultur, die in der Vergangenheit Ihrem Lande einen unvergleichlichen Glanz verliehen hat, dessen strahlendes Zentrum Wien war. Frankreich vergisst auch nicht, dass zu Savona im Jahre 1866, vier Jahre vor 1870, der Geist der Barbarei, dessen volle Entfaltung dem Nationalsozialismus vorbehalten war, dieser Gedankenwelt zum ersten Mal Abbruch tat. Die Gefühle, die wir hier äußern, werden von unserem großen Alliierten Amerika, Großbritannien und Russland voll geteilt. Auch für sie ist die Wiederherstellung Österreichs eines der vordringlichen Kriegsziele. Ihre Befreiung jedoch wäre nichts als ein Betrug, wenn sie sich nicht gründen würde auf die Grundsätze der Freiheit, der gegenseitigen Duldung und der Achtung vor der Menschenwürde, die das Wesen der christlichen Kultur und der Demokratie ausmachen." (Quelle: Tiroler Tageszeitung: Die Erklärungen des Herrn General Bethouart, Donnerstag 19. Juli 1945. ) Hintergrund: Die französische Besatzung in Tirol und Vorarlberg (1945–1955 Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland 1945 wurde Österreich entsprechend den Beschlüssen der Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Während die Sowjetunion, die USA und Großbritannien große Teile des Landes kontrollierten, erhielt Frankreich – trotz anfänglicher Vorbehalte der anderen Alliierten – zwei westliche Bundesländer: Tirol (ohne Osttirol, das unter britischer Verwaltung stand) und Vorarlberg. Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document. General Bethouart: Tatsachen aus Akten. In: Tiroler Tageszeitung: Freitag 20. Juli 1945. Anno Suchportal online unter, https://anno.onb.ac.at/. Die Illusion der Meinungsfreiheit: Bespitzelung und Denunziation in der NS-Zeit General Bethouart berichtet: In den letzten Wochen hatte ich Gelegenheit, zahlreiche Denunziationsschreiben von NSDAP-Ortsgruppenleitern und NS-Vertrauensleuten an Kreisleitungen oder die Gestapo einzusehen. Darin wurden Menschen angezeigt, die es gewagt hatten, zur falschen Zeit – oder überhaupt – von der angeblichen „Meinungsfreiheit“ im nationalsozialistischen Deutschland Gebrauch zu machen. Meinungsfreiheit? Ein zynisches Versprechen Doch wo blieb diese Freiheit, wenn noch im April 1945 – als längst klar war, dass das NS-Regime am Ende stand – das Polizeipräsidium Innsbruck penibel jeden Zugezogenen überwachte? Für Neuankömmlinge gab es Meldeformulare, deren Rückseite von Ortsgruppenleitern, Blockwarten und Zellenleitern ausgefüllt werden musste. Diese Rubriken dienten einem einzigen Zweck: der systematischen Bespitzelung. Jeder Fremde wurde sofort als potenzieller „Störer“ registriert und überwacht. Ständige Überwachung: Auch Beamte unter Verdacht Doch nicht nur Unbekannte standen unter Beobachtung – auch die eigenen Leute wurden misstrauisch kontrolliert. Öffentliche Angestellte, Beamte und sogar Universitätsmitarbeiter mussten sich monatlichen „Stimmungsberichten“ unterziehen. Fachschaftsvertreter, das „Amt für Beamte“ und andere Dienststellen legten regelmäßig Berichte vor, in denen sie die Laune und Loyalität ihrer Kollegen dokumentierten. Selbst banale Aussagen wie „die Stimmung wechselt“ wurden akribisch festgehalten. Ein System der Angst All dies zeigt: Das NS-Regime predigte Einheit und Volksgemeinschaft – doch in Wahrheit herrschte ein Klima des Misstrauens. Wer auch nur den leisesten Zweifel äußerte, riskierte, denunziert zu werden. Die vermeintliche Meinungsfreiheit war eine Lüge. Stattdessen regierten Angst, Kontrolle und ein perfides Netzwerk von Spitzeln – bis zuletzt. Historischer Hintergrund: Die französische Besatzung in Tirol und Vorarlberg (1945–1955) Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland 1945 wurde Österreich entsprechend den Beschlüssen der Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Während die Sowjetunion, die USA und Großbritannien große Teile des Landes kontrollierten, erhielt Frankreich – trotz anfänglicher Vorbehalte der anderen Alliierten – zwei westliche Bundesländer: Tirol (ohne Osttirol, das unter britischer Verwaltung stand) und Vorarlberg. Frankreichs Rolle als Besatzungsmacht Frankreichs Haltung gegenüber Österreich unterschied sich von der strengeren Politik der Sowjetunion im Osten. Die französische Militärregierung unter General Marie-Émile Béthouart verfolgte drei Hauptziele:
Béthouarts Erklärung im historischen Kontext Seine Ansprache vom 19. Juli 1945 spiegelt die ambivalente Haltung Frankreichs wider: Einerseits betonte er die friedliche Absicht der Besatzung, andererseits erinnerte er an die Leiden Frankreichs unter der deutschen Besatzung (1940–1944). Seine Warnung vor Störungen der Ordnung richtete sich vor allem an ehemalige Nationalsozialisten und mögliche Widerstandsgruppen. Besonderheiten der französischen Zone
Das Ende der Besatzungszeit 1955 wurde mit dem österreichischen Staatsvertrag die volle Souveränität des Landes wiederhergestellt. Die letzten französischen Truppen verließen Tirol und Vorarlberg im Oktober 1955. Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document. Der Einzug des französischen Generals Bethouart in Innsbruck. In: Tiroler Tageszeitung, Dienstag 17. Juli 1945. Der Geheimbericht von Oberst Dulac (1949) betonte: "Unsere wirksamste Waffe ist nicht der Panzer, sondern das Buch. Jeder verteilte Molière löscht zehn Besatzungstage aus." Die französische Kulturpolitik begann unter schwierigen Vorzeichen: 1946 standen nur 18% der Tiroler Bevölkerung diesen Maßnahmen positiv gegenüber. Doch die beharrliche Aufbauarbeit zeigte Wirkung – bis 1952 bekannten sich bereits 61% der Befragten zu einem echten Interesse an französischer Kultur. Diese bemerkenswerte Wandlung erklärt, warum das Institut Français als bleibende Einrichtung über die Besatzungszeit hinaus erhalten blieb. Historische Einordnung: Diese Aussage spiegelt die mission civilisatrice der französischen Besatzungspolitik:
Your browser does not support viewing this document. Click here to download the document. Anno. Tiroler Tageszeitung, Mittwoch 11. Juli 1945. Online unter, https://anno.onb.ac.at/ (Stand 24.6.2025)
0 Comments
|
Autorin
|
Proudly powered by Weebly