|
Foto Dr. Viktor Schumacher. In: Wopfner, Helmut (Hrsg.): Unsere Sternkorona Hall in Tirol. Mitgliederverzeichnis 1888 – 1998. Thaur 1998, S.79. Die Geschichte von Solbad Hall in den dunkelsten Jahren des 20. Jahrhunderts ist geprägt von Mut, Widerstand und der Entschlossenheit Einzelner, der Tyrannei die Stirn zu bieten. Eine der zentralen Figuren in diesem Kampf war Dr. Viktor Schumacher – ein Mann, dessen Leben als Arzt und Lokalpolitiker ihn nicht davon abhielt, zu einem entschlossenen Gegner des Nationalsozialismus zu werden. Vom Medizinstudenten zum Stadtarzt Geboren 1894 in Schwaz, begann Viktor Schumacher seine Laufbahn zunächst klassisch: Nach dem Gymnasium in Hall studierte er Medizin in Innsbruck, diente im Ersten Weltkrieg und schloss 1922 sein Doktorat ab. Er übernahm die Praxis seines Vaters und wurde Stadtarzt in Hall, wo er sich 1929 auch politisch als Gemeinderat engagierte. Schon früh zeigte sich seine Haltung, als er den Christlich-Deutschen Turnverein leitete, der eine klare Abgrenzung zur aufkeimenden nationalsozialistischen Ideologie pflegte. Frühe Konfrontation und der erste Widerstand Die Bedrohung durch den Nationalsozialismus war in Hall lange spürbar. Bereits 1933 kam es zu provokativen Vorfällen mit dem nationalsozialistisch infiltrierten „Turnverein 1862“. Die Geschehnisse gipfelten 1934 in der Sprengung des Halltaler Elektrizitätswerks – ein Sabotageakt mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Nazis in Österreich am 12. März 1938 handelte Dr. Schumacher. In den frühen Morgenstunden brachte er gemeinsam mit Anton Haller, Jakob Schonger und Ing. Richard Matt die Mitgliederverzeichnisse der Vaterländischen Front in Sicher. Diese mutige Tat rettete unzähligen Haller Bürgerinnen und Bürgern vor Verfolgung und Deportation. Noch am selben Tag wurde er dafür von der SS verhaftet und für vier Wochen ins Gefängnis gesteckt. Er verlor seine Ämter, doch sein Widerstand war damit nicht gebrochen, sondern organsierte sich neu. Unter dem Auge der Gestapo: Der lange Kampf Trotz ständiger Überwachung durch die Gestapo nutzte Dr. Schumacher seine Bewegungsfreiheit als Arzt, um die Haller Widerstandsbewegung aufzubauen. Er schloss sich sogar dem monarchistischen Widerstandskreis um Graf Bernhard Stolberg an. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er erneut verhaftet, kam aber dank einer Intervention nach einer Woche wieder frei. Seine gefährlichste Stunde schlug in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945. Bei einem Telefonat mit der Widerstandsbewegung in Innsbruck wurde er verraten. Die Worte „dann schlagen wir jetzt los“ bedeuteten seine Verhaftung. SS-Offiziere brachten ihn ins Innsbrucker Gauhaus, wo er verhört und mit dem Standgericht und Erschießung bedroht wurde. In seiner eigenen Schilderung beschreibt er die angstvollen Stunden seiner Gefangenschaft: „...wie es langsam Tag wurde, ging einmal ein Mann mit einer weißen Armbinde vorbei, der mich fragte, was ich tue, ich sagte nur, die SS hat mich daher gebracht...“ Durch das Chaos der letzten Kriegstage gelang ihm in den Morgenstunden des 3. Mai die Flucht. Gestützt auf die Hilfe von Turnbrüdern, machte er sich auf den Weg zurück nach Hall, beobachtete die weiß-roten Fahnen der Befreiung auf den Kirchtürmen und traf schließlich gegen 19:30 Uhr in seiner Heimatstadt ein. Die Befreiung und ein neuer Anfang Noch am Abend des 3. Mai 1945 wurde Dr. Viktor Schumacher von der Widerstandsbewegung zum Bürgermeister von Solbad Hall gewählt. Am 4. Mai übergab er die Stadt friedlich an die amerikanische Militärregierung. Hall war damit eine der wenigen Städte im Deutschen Reich, die ohne Kampfhandlungen befreit wurde – ein Vermächtnis des mutigen Widerstands um Dr. Viktor Schumacher.
Sein Leben ist ein beeindruckendes Zeugnis von Zivilcourage, Pflichtbewusstsein und dem unerschütterlichen Glauben an die Freiheit Österreichs.
0 Comments
|
Autorin
|
Proudly powered by Weebly
RSS Feed