In Solbad Hall gab es Einzelpersonen, die sich dem NS-Regime widersetzten, ohne einer bestimmten politischen Richtung anzugehören. Diese Personen wurden von den NS-Behörden mittels Heimtücke Gesetz verfolgt. Die historischen Quellen belegen, dass es neben organisierten Widerstandsgruppen auch Einzelnen gelang mittels deviantem Verhalten, den NS-Staat herauszufordern. Solbad Hall scheint ein Ort gewesen zu sein, an dem zahlreiche Bürgerinnen aufbegehrten. Besonders bemerkenswert ist, dass Frauen ihre Meinung öffentlich kundtaten, selbst wenn dies bedeutete, sich dem Risiko von Denunziationen durch NS-Anhänger auszusetzen. Dies zeigt, dass Widerstand gegen das NS-Regime in der Stadt von Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Geschlechter getragen wurde. Anna Braunegger Im Frühjahr 1943, in der Schneiderei des Lagers in Eichat/Absam, äußerte sich Anna Braunegger, eine Schneiderin aus Hall (wohnhaft in der Arbesgasse 2), gegenüber verschiedenen Personen. Sie berichtete von Gerüchten, wonach Nachrichtenhelferinnen in Frankreich angeblich Beziehungen zu Engländern unterhielten. Angeblich sollen 40 dieser Helferinnen geflüchtet und von den Engländern in Flugzeugen außer Landes gebracht worden sein. Aufgrund der Verbreitung solcher Gerüchte wurde Anna Braunegger gemäß dem Heimtücke-Gesetz rechtskräftig am 28. Juli 1943 zu einer vierwöchigen Gefängnisstrafe verurteilt. Anna Tausch (1891-?) Am 27. April 1942 wurde Anna Tausch aus Hall in Tirol, eine unverheiratete Kinderpflegerin, die in der Schlossergasse 9 wohnte, aufgrund eines Verstoßes gegen das Heimtücke-Gesetz zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dieses Urteil resultierte aus einem Brief, den sie am 19. Dezember 1941 an ihre Schwester Fanny Tausch schickte, die in St. Gallen lebte: Anna Tausch schrieb: „Ich denke oft an meine in Vorausblickung gegebenen Worte am 13.3.1938 zu Karl, wie in Innsbruck das deutsche Militär einrückte, Samstag über Sonntag. Wir haben uns keine Minute dieses Schauspiel angesehen, gingen deshalb über Sonntag den 13. außer Stadt in Höhe Rechenhof zu, auf dem Wege dem Wald entlang sagte /ich/ zu Karl, indirekt hat jetzt der Hitler die Kriegsfackel angeschürt. Und tatsächlich kam es so, Schlag auf Schlag, eine Nation und ein Volk nach dem anderen kam gut oder böse berührt von der wehenden Kriegsfackel davon. Ich ahnte gleich, daß [dass] dieses Eindringen und Besitzergreifen von Österreich, dem schönsten mittleren Herzstück von Europa, weittragende Folgen nach sich zieht. [...]Den Gauleiter mag in Tirol eh kein Mensch, der Teufel hol ihn. [...]" Maria Ebner (1881-?) Am 10. Jänner 1941 wurde Witwe Maria Ebner, geborene Kiebacher (geboren am 26. Februar 1881 in Hall) wohnhaft in Hall in Tirol, Zufluchtshausgasse 3, wegen eines Vergehens nach dem Heimtücke-Gesetz zu einer Haftstrafe von acht Monaten verurteilt, wie vom Landesgericht Innsbruck entschieden. Die Begründung des Gerichtes lautete: Die Angeklagte hat in ihrem Anwesen mehrere Untermietparteien, darunter aus Südtirol kommende Umsiedler, mit denen sie verfeindet ist, [...] Sie äußerte im April 1940 gegenüber Frieda M., als diese ihren zurückkommenden Ehemann mit dem deutschen Gruß empfing: „Ihr könnts mich am Arsche lecken mitsamt dem Hitler!“ Dabei machte sie eine Handbewegung auf das Gesäß. [...]" Theresia Grosch (1904-?) Am 4. April 1941 wurde Theresia Grosch geborene Kapferer, (geb. 11. November 1904), Händlerin und wohnhaft in Hall in Tirol, Weißenbachsiedlung 3, vom Landesgericht Innsbruck wegen eines Vergehens nach dem Heimtücke-Gesetz zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Grund hierfür war ihre Fahrt nach Mieders Anfang Juli, bei der sie von Tür zu Tür Obst und Gemüse verkaufte und dabei gegenüber Zeugin Zenzi Ruech über die Geschäftslage schimpfte. Sie erklärte: „Zum Verkauf bekäme sie zu wenig Gemüse, in der Stadt müssten die Leute beinahe verhungern, aber wir auf dem Lande könnten das ja nicht wissen. Die Soldaten auf dem Kasernenhof würden derart geschunden, dass sie oft liegenblieben. Sie bekäme für ihr Auto viel zu wenig Benzin[...] Die Herren von der Kreisleitung bekämen genug Benzin, um Vergnügungsreisen zu machen ." Katharina Strauss (1910-?) Am 20. April 1944 erging ein weiteres Urteil des Obersten Gerichtshofs in Wien, das die strenge Bestrafung von Wehrkraftzersetzung verdeutlichte. Katharina Strauss, geborene Koidl, zuletzt wohnhaft in Hall in Tirol und Alois Villgrattner aus Ampass wurden in diesem Zusammenhang verurteilt. Katharina Strauss, Hausfrau und verheiratet, wurde aufgrund nachfolgenden Berichts zu einer Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus sowie zu einem dreijährigen Ehrverlust verurteilt. Am 18. April 1944 begab sich Katharina Strauss auf eine Einkaufsfahrt nach Oberradkersburg in der Untersteiermark.Während ihres Aufenthalts im Gasthaus Wratschko ereignete sich folgendes Geschehen: Als Gäste das Lokal betraten und mit einem "Heil Hitler"-Gruß grüßten, zeigte sich Katharina Strauss überrascht darüber, dass dieser Gruß hier noch verwendet wurde. In einem Gespräch äußerte sie sich kritisch über die aktuellen Aussichten für Hitler und den Ausgang des Krieges. Sie äußerte die Meinung, dass der Weltkrieg durch die Situation in Italien entschieden werde und zweifelte daran, dass Hitler die Kontrolle über das Deutsche Reich behalten würde, ab Mai oder Juni. In einem bemerkenswerten Schritt schloss Katharina Strauss eine schriftliche Wette vor Zeugen mit dem Gastwirt Wratschko ab, bei der es um 1000 RM ging. Diese Wette bezog sich darauf, dass Hitler ab Mai oder Juni nicht mehr regieren würde. Es ist wichtig anzumerken, dass sie im Zuge dieser Diskussion die Anwesenden darum bat, sie nicht anzuzeigen, da sie befürchtete, ihr Leben zu verlieren, sollte ihre Meinungsäußerung Konsequenzen nach sich ziehen. Dieser Bericht dokumentiert die Vorkommnisse im Gasthaus Wratschko am 18. April 1944 und die Äußerungen von Katharina Strauss während dieses Vorfalls. Anna Hutter (1883-?)
Anna Hutter, geboren am 29. September 1883 in Götzens, ledig und Armenrentnerin, ehemaliges Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und wohnhaft in Hall in Tirol, Mustergasse 6, erwarb im September 1939 einen gebrauchten Rundfunkempfänger auf Raten. Von März 1940 bis zu ihrer Verhaftung im September 1940 nutzte sie dieses Gerät, um regelmäßig Auslandssender wie Straßburg, Beromünster, London und Mailand zu empfangen. Anna Hutter erklärte, dass ihr Interesse insbesondere den Nachrichten galt. Zwischen dem 24. März 1940 und dem 14. Juni 1940 teilte sie ihre Wohnung mit dem Ehepaar L. In deren Anwesenheit ließ Anna Hutter das Radio laufen und erzählte von einem Bittgottesdienst, den Otto von Habsburg (1912–2011) in Frankreich besucht hatte. „Es wurde vom Gericht als erwiesen betrachtet und von mehreren Zeugen bestätigt, dass sie sich defätistisch über das Regime äußerte und ausländische Sender hörte.“ Deswegen wurde sie am Landesgericht in Innsbruck wegen Rundfunkverbrechens zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.
0 Comments
|
Autorin
|
Proudly powered by Weebly