Eine Verurteilung nach dem „Heimtücke-Gesetz“ 1943 in Hall in TirolIm Archiv der Justiz des nationalsozialistischen Regimes finden sich unzählige Schicksale von Menschen, die ihren Unmut über das Regime zeigten und dafür brutal bestraft wurden. Eines dieser Schicksale ist das von Alois Ebster, einem Salinenarbeiter aus Hall in Tirol. Der Mann hinter dem Namen Alois Ebster wurde am 22. Juni 1898 geboren, war verheiratet und wohnte im Kurzen Weg 14 in Solbad Hall (heute Hall in Tirol). Wie viele Arbeiter seiner Zeit war er ein ehemaliges Mitglied der verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, was ihn politisch vorbelastet machte. Der Vorfall in der Saline in Hall in TirolIm Juni 1942 befand sich Ebster in der Arbeiterstube der Saline Hall. Gemeinsam mit drei Kollegen (deren Namen in den Akten nicht überliefert sind und mit N.N. geführt werden) hörte er eine Sondermeldung des deutschen Rundfunks, die die Vernichtung eines alliierten Geleitzuges im Nordmeer verkündete – ein Propagandaerfolg für die Wehrmacht. Als ein Kollege diese Nachricht verkündete, reagierte Alois Ebster mit Skepsis und Wut. Er fragte seine Kameraden, ob sie denn gehört hätten, was der Schweizer Sender – eine Quelle für unzensierte Nachrichten, deren Abhören streng verboten war – dazu meldete. Er konterte die NS-Propaganda mit den Worten: „Die Engländer und Amerikaner sind in Norwegen eingebrochen. Davon sagen unsere aber nichts. Bei uns dreht es sich nur ums Leute umbringen.“ Mit dieser mutigen Aussage zweifelte er nicht nur die Glaubwürdigkeit der NS-Nachrichten an, sondern prangerte direkt die brutale Realität des Krieges an. Die Denunziation: Der alltägliche Terror am ArbeitsplatzDer Vorfall blieb nicht ohne Folgen. Einer oder mehrere der anwesenden Kollegen zeigten Ebster an. Diese Denunziation war kein Einzelfall, sondern ein bestimmendes Element der NS-Herrschaft. Der Arbeitsplatz, an dem man sich eigentlich sicher fühlen sollte, wurde oft zum Ort der Überwachung und des Misstrauens. Die Regime förderte aktiv, dass Nachbarn, Kollegen und sogar Freunde sich gegenseitig bespitzelten. Angst und Einschüchterung sollten jegliche regimekritische Gesinnung im Keim ersticken. Der Fall Ebster ist ein typisches Beispiel dafür, wie ein vermeintlich privates Gespräch unter Kollegen zur Grundlage einer schwerwiegenden Anklage werden konnte. Die VerurteilungAufgrund der Denunziation wurde Alois Ebster angeklagt. Das Gesetz, das seine Äußerung zum Verbrechen machte, war das berüchtigte „Heimtücke-Gesetz“ vom 20. Dezember 1934. Es bestrafte jede Äußerung, die „geeignet ist, das Wohl des Reichs oder das Ansehen der Reichsregierung oder der NSDAP zu schädigen“. Am 1. März 1943 verurteilte ihn das Landgericht Innsbruck wegen dieses Vergehens zu fünf Monaten Gefängnis. Das Urteil zeigt die extreme Repression des NS-Staates, der selbst kleinste Äußerungen des Zweifels im privaten Kreis unnachgiebig verfolgte. Ein Denkmal der ZivilcourageAlois Ebsters Geschichte ist mehr als nur ein Eintrag in einem Gerichtsprotokoll. Sie steht für den stillen Widerstand des „kleinen Mannes“, für den Mut, in einer Zeit allgegenwärtiger Lügen und der Bedrohung durch Denunziation die Wahrheit auszusprechen – und für den hohen Preis, den man dafür zahlen musste. Sein Schicksal erinnert uns an die Verletzlichkeit von Meinungsfreiheit und den steten Wert von Zivilcourage. Quelle: Basierend auf historischen Gerichtsakten. Die Namen der weiteren Beteiligten (N.N.) sind aus Datenschutzgründen nicht angeführt.
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